Zürich – Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz dürfte wegen der Coronakrise in den nächsten Monaten zwar weiter zunehmen – allerdings nicht mehr gar so schnell wie in den letzten Wochen.
Laut Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), ist Ende Jahr mit einer Arbeitslosenquote von «deutlich über 4 Prozent» zu rechnen, wie er am Donnerstag an einer Telefonkonferenz sagte.
«In einzelnen Monaten könnte die Quote auch 5 Prozent erreichen», fügte er an. «Das wären dann deutlich über 200’000 Personen.» Im April lag die Quote bei 3,3 Prozent, und die Zahl der Arbeitslosen kam bei gut 153’000 zu liegen.
Zum Vergleich: Im letzten Jahr fiel die Quote zeitweise auf 2,1 Prozent und die Zahl der Arbeitslosen auf unter 100’000.
37 Prozent in Kurzarbeit
«Angesichts der Breite und Heftigkeit des wirtschaftlichen Einbruchs war damit zu rechnen, dass die Arbeitslosigkeit ansteigen würde», sagte Zürcher. Aktuell würden «praktisch keine Unternehmen» mehr Leute anstellen, es gälten Einstellungsstopps. Dazu komme, dass Firmen mit Kurzarbeit üblicherweise auch gar keine Leute neu einstellen dürften.
Und diese Kurzarbeit ist bekanntlich in «historischem Ausmass» angestiegen, wie es Zürcher sagte. 1,92 Millionen Menschen seien vorangemeldet, was 37 Prozent der Beschäftigten entspreche. Deutlich überdurchschnittliche Werte zeigten dabei unter anderem die Gastronomie (76%), der Bau (52%) und die Industrie (48%).
Zürcher wertet dies positiv: «Die ausserordentlich hohe Beanspruchung der Kurzarbeit zeigt den starken Willen der Unternehmen, die Beschäftigung zu erhalten», sagte er. «Das ist ein ausserordentlich gutes Zeichen.»
Keine Entlassungswelle
Seiner Meinung nach hätte man nämlich Mitte März auch einen deutlich stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit erwarten können, als die Wirtschaft mit den Corona-Massnahmen abgebremst wurde. Erfreulich sei insbesondere, dass eine flächendeckende Entlassungswelle bis jetzt ausgeblieben sei. Zuversichtlich stimme ihn auch, dass die Arbeitslosigkeit in den letzten Tagen und Wochen nur noch verlangsamt angestiegen sei.
Doch Zürcher betonte, dass Kurzarbeit eine temporäre Massnahme sei und damit «eine Wette auf die Zukunft». Kurzarbeit diene dem Erhalt der Stammbelegschaft während einer Krise. Mit anderen Worten: Sollte sich die Wirtschaft nicht erholen, verpufft ihre Wirkung und es kommt doch noch zu Entlassungen – und damit einer Arbeitslosigkeit über den aktuellen Prognosen. «Im Moment gehen wir aber davon aus, dass wir am Arbeitsmarkt möglichweise mit einem blauen Auge davonkommen könnten.»
«Keine Lust» zählt nicht
Zürcher warnte jedoch Unternehmen davor, sich bei der Lockung nun zu sehr auf das Instrument zu verlassen. Unternehmen müssten alles tun, um ihren Betrieb wieder zu öffnen. Argumente, es lohne sich nicht oder man habe keine Lust, zählten nicht.
Konkret hat das Seco auch schon in 438 Fällen Einsprachen gegen kantonale Bewilligungen von Kurzarbeit gemacht, wie Zürcher sagte. Es gehe dabei insbesondere um Unternehmen aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich, weil dort kein Entlassungsrisiko bestehe und damit kein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung.
Zusatzfinanzierung geplant
Zürcher betonte ausserdem, dass die Kosten für all die Massnahmen immens seien. Er schätzt die Ausgaben für die Arbeitslosigkeit aktuell auf rund 20 Milliarden Franken im Gesamtjahr gegenüber üblicherweise 6 bis 7 Milliarden.
Es gebe daher auch Pläne für eine Zusatzfinanzierung des Fonds der Arbeitslosenversicherung. Denn erreiche die Verschuldung des Fonds einen bestimmten Betrag, müssten eigentlich die Beiträge erhöht werden. Doch wolle man der Wirtschaft dies aktuell nicht aufbürden, so Zürcher. (awp/mc/ps)