Zürich – Das Aryzta-Management verliert keine Zeit beim Umbau des Backwarenkonzerns: Mit dem Verkauf des Nordamerika-Geschäfts führt es Aryzta wieder zurück zu den Hiestand-Wurzeln. Doch der Weg zum Turnaround dürfte aufgrund der Corona-Einschränkungen steinig bleiben.
Seit der ehemalige Hiestand-Chef Urs Jordi im September den Steuerknüppel bei Aryzta übernommen hat, bleibt in dem Unternehmen kein Stein auf dem anderen: Im Verwaltungsrat und Management rollten Köpfe, die Strukturen wurden vereinfacht und das Unternehmen verschlankt. Insbesondere mit dem am letzten Freitag vermeldeten Verkauf des Nordamerika-Geschäfts ist dem Management laut Analysten ein Befreiungsschlag gelungen.
Dabei punktet Aryzta sowohl mit dem Verkaufspreis als auch dem Zeitpunkt: Der Verkauf bringt Aryzta umgerechnet rund 710 Millionen Euro ein, gemeinsam mit dem noch ausstehenden Verkauf des Lateinamerika-Geschäfts könnte damit das obere Ende der in Aussicht gestellten Spanne von 600 bis 800 Euro an Verkaufseinnahmen erreicht werden. Die meisten Analysten hatten auch nicht so schnell mit einem Deal gerechnet.
Sorgenkind los
Mit dem Nordamerika-Geschäft wird Aryzta nun einen Bremsklotz los. Dieses wurde besonders mit der Fusion von Hiestand mit IAWS 2008 mittels Übernahmen forciert, hatte doch IAWS bereits einen starken Fussabdruck in Nordamerika mitgebracht. Insgesamt gab Aryzta in den letzten Jahren fast 3 Milliarden Euro für Zukäufe in dieser Region aus, rechnet die Bank Vontobel vor. Doch der erhoffte Erfolg wollte sich nie einstellen – im Gegenteil. Aryzta ächzte zunehmend unter den hohen Schulden. Diese sollen nun mit dem Verkaufserlös wieder abgebaut werden.
Immerhin: In der ersten Jahreshälfte des Geschäftsjahres 2020/21, das von August bis Januar lief, war es das Nordamerika-Geschäft, das eine besonders starke Erholung verzeichnete. Das habe denn auch bei den Verkaufsverhandlungen geholfen, sagte Jordi am Montag an einer Telefonkonferenz. Die Kehrseite: Dieser Erholungstreiber fällt künftig weg.
Erholung in Europa gestoppt
In Europa, dem mit Abstand grössten verbliebenen Geschäft, belasten die Pandemie-bedingen Lockdowns. Im zweiten Quartal (November bis Januar) ging dort der Umsatz organisch um 23,5 Prozent zurück, nachdem sich der Rückgang im ersten Quartal noch auf 15,7 Prozent verlangsamt hatte. Im Rest der Welt, das neben dem zu veräussernden Brasilien-Geschäft asiatische Märkte umfasst, setzte sich die Erholung allerdings mit einem Minus von noch 4,1 Prozent fort.
Insgesamt setzte Aryzta im ersten Halbjahr mit seinen fortgeführten Aktivitäten 752,5 Millionen Euro um, was einem organischen Rückgang um 17,6 Prozent entspricht. Der bereinigte Betriebsgewinn (EBITDA) sank um 36,1 Prozent auf 76,1 Millionen, entsprechend einer Marge von 10,1 Prozent.
Börse applaudiert
Eine Prognose für das Gesamtjahr wollte das Management aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten rund um Covid-19 anlässlich der Halbjahreszahlen vom Montag nicht wagen. Doch Aryzta-Chef Jordi zeigte sich zuversichtlich, bald wieder zu Wachstum zurückkehren, sowohl aus eigener Kraft als auch mit Zukäufen. Auch die Profitabilität soll verbessert werden.
Die neue Strategie mit einer Vereinfachung der Strukturen, mehr Verantwortung für die lokalen Einheiten und Kostensenkungen zahlt sich dabei aus: Das Unternehmen sei auf Kurs, seine Kostenbasis um einen Viertel zu senken, sagte Jordi. Bis in zwei Jahren soll sich die EBITDA-Marge auf 12,5 Prozent verbessern.
Analysten jedenfalls zeigten sich vom Tempo bei der Umsetzung der neuen Strategie beeindruckt. Die Pläne des Managements seien vielversprechend. Auch an der Börse gab es Applaus: Bis Montagmittag gewinnen die Aktien knapp 4 Prozent und notieren damit erstmals seit über einem Jahr wieder über 1 Franken. (awp/mc/ps)