(Foto: parlament.ch)
Bern – Die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK) will die Durchsetzungsinitiative der SVP grundsätzlich für gültig erklären. Als Vorlage zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative soll sie aber nicht dienen. Die SPK will dabei ihren eigenen Weg gehen. Der Nationalrat hatte sich beim Gesetzestext, mit dem die Ausschaffungsinitiative umgesetzt werden soll, weitgehend auf den Text der Durchsetzungsinitiative gestützt. Die Ständeratskommission ist damit nicht einverstanden.
«Wir haben beschlossen, dass wir einen eigenen Weg für die Umsetzung suchen», sagte Kommissionspräsidentin Verena Diener (GLP/ZH) am Dienstag vor den Medien in Bern. «Basis ist die angenommene Volksinitiative.»
18’000 Ausschaffungen
Von der Ausschaffungsinitiative weicht die noch nicht angenommene Durchsetzungsinitiative nach Ansicht der SPK stark ab. Ging man bei ersterer noch von rund 1500 Betroffenen aus, würde letztere laut Diener zu jährlich 18’000 Ausschaffungen führen. In erster Linie ist der Entscheid, nicht dem Nationalrat zu folgen, jedoch politischer Natur.
Bruch der Spielregeln
In der Lancierung einer Durchsetzungsinitiative noch vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Ausschaffungsinitiative sieht die Kommission laut Diener einen Bruch der Spielregel, dass nach einer angenommenen Volksinitiative der Bundesrat und das Parlament zum Zuge kommen. Bisher habe sich das Volk erst dann wieder äussern können, wenn die Umsetzung unbefriedigend ausgefallen sei.
Bei dieser Ordnung soll es nach Ansicht der SPK bleiben. Anders als der Nationalrat gibt sie dem Druck der Durchsetzungsinitiative nicht nach und arbeitet an einem eigenen Umsetzungsvorschlag. Dieser solle die Ausschaffungsinitiative so umzusetzen, dass andere Verfassungsgrundsätze wie die Verhältnismässigkeit gewahrt würden, sagte Diener. «Der Wille ist vorhanden, einen gangbaren Weg zu suchen.»
Gültigkeit umstritten
Nach ihren Angaben soll der Ständerat im Herbst über die Vorlage befinden können. Dann soll das Plenum auch über die Gültigkeit der Durchsetzungsinitiative befinden. Sie SPK empfiehlt mit einer knappen Mehrheit von 7 zu 6 Stimmen, die Initiative für gültig zu erklären. Wie der Bundesrat und der Nationalrat will sie bei der Bestimmung über das zwingende Völkerrecht eine Ausnahme machen. Weil diese den Umfang des zwingenden Völkerrechts definiert und das erst noch zu eng, verstösst sie selber gegen zwingendes Völkerrecht. Damit ist ein Ungültigkeitsgrund gegeben. Die Minderheit beantragt, die ganze Initiative für ungültig zu erklären.
Grundsatzdiskussion zur Gültigkeit
Vor dem Hintergrund der aufgeworfenen Fragen will sich die SPK aber vertieft mit der Ungültigkeit auseinandersetzen. Unter Beizug von Experten aus der Wissenschaft und der Verwaltung will sie eine Diskussion darüber führen, wie sich das Instrument der Initiative verändert hat und ob es allenfalls eine politische Reaktion darauf braucht. Es stelle sich die Frage, ob es Präzisierungen brauche bei der Ungültigerklärung von Initiativen, sagte Diener. Mit der Frage muss sich die SPK auch im Zusammenhang mit der hängigen Erbschaftssteuer-Initiative auseinandersetzen. Der Ständerat hatte die Vorlage Anfang Juni mit entsprechenden Fragen an die Kommission zurückgewiesen. Die SPK ist aufgefordert, dazu einen Mitbericht verfassen.
Vorschläge zum Thema Gültigkeit stellte Diener für Anfang nächstes Jahr in Aussicht. Der Bundesrat hat bereits Vorschläge für eine besseren Vereinbarkeit von Volksinitiativen und Völkerrecht sowie zum Verfahren der Ungültigkerklärung gemacht. Nach Kritik in der Vernehmlassung hat er die Vorlage Ende letzten Jahres zurückgezogen.
«Geheimgruppe» war bekannt
Schon damals beauftragte die Regierung das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), zusammen mit dem Aussendepartement (EDA) und der Bundeskanzlei neue Lösungen auszuarbeiten. Die mit der Aufgabe betraute Arbeitsgruppe wurde von der «SonntagsZeitung» als «Geheimgruppe» bezeichnet. (awp/mc/pg)