Ständerat sagt Ja zu automatischem Informationsaustausch mit EU

Ständerat sagt Ja zu automatischem Informationsaustausch mit EU
Ständeratssaal. (Bild: Parlamentsdienste 3003 Bern)

Ständeratssaal. (Bild: Parlamentsdienste 3003 Bern)

Bern – Die Schweiz soll den EU-Staaten regelmässig Informationen zu Bankkonten von EU-Bürgern übermitteln. Auch Australien soll solche Informationen erhalten. Der Ständerat hat am Montag als Erstrat Abkommen zum automatischen Informationsaustausch (AIA) gutgeheissen.

Das Ende des Bankgeheimnisses für die Kundinnen und Kunden der betroffenen Staaten stiess nur auf geringen Widerstand. Mit 35 zu 1 Stimmen bei 3 Enthaltungen sagte der Ständerat Ja zum AIA mit der EU. Den Austausch mit Australien hiess er oppositionslos gut.

Finanzminister Ueli Maurer stellte fest, vor einigen Jahren hätte man sich nicht vorstellen können, dass es je soweit kommen würde. Wegen der weltweit zunehmenden Bekämpfung der Steuerhinterziehung sei die Schweiz unter Druck geraten.

«Aus Überzeugung»
Inzwischen müsse man aber feststellen, dass es für einen internationalen Finanzplatz absolut notwendig sei, die internationalen Standards zu erfüllen, sagte Maurer. «Wir machen das heute nicht mehr unter Zwang, sondern aus Überzeugung.»

Skeptisch äusserte sich der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann. Er sei dem AIA immer kritisch gegenüber gestanden, gestand er. Viele Fragen seien offen – etwa jene, was das Nazi-Regime mit solchen Daten gemacht hätte. Er wähle dieses Beispiel, um keinem Land zu nahe zu treten, erklärte Germann.

Auch heute gebe es aber Länder, in welchen der Rechtsstaat nicht denselben Standard habe. «Wer trägt letztlich die Verantwortung, wenn sensible Kundendaten in falsche Hände gelangen?», fragte Germann. Maurer erwiderte, die Schweiz schliesse keine AIA-Abkommen mit Staaten ab, welche die Voraussetzungen nicht erfüllten.

Weiter kritisierte Germann, in den USA erfüllten einzelne Gliedstaaten die OECD-Standards nicht. Dazu sagte Maurer, die Bildung neuer Steueroasen müsse aufmerksam beobachtet werden. Es liege auch an der OECD, solches zu verhindern.

Frühestens ab 2018
Den rechtlichen Grundlagen für den AIA hatte das Parlament im Dezember zugestimmt. In einem nächsten Schritt kann es nun über Abkommen mit einzelnen Ländern entscheiden. Das erste Land, mit dem die Schweiz ein Abkommen unterzeichnete, war Australien. Es folgte das Abkommen mit der EU, das im Mai 2015 unterzeichnet wurde.

In Kraft treten soll es am 1. Januar 2017 – unter dem Vorbehalt, dass die Genehmigungsprozesse in der Schweiz und in der EU bis dahin abgeschlossen sind. Daten könnten damit ab 2018 ausgetauscht werden. Die EU hatte in den Verhandlungen in einzelnen Punkten über den AIA-Standard der OECD hinausgehen wollen. Am Ende wurde aber dieser Standard ohne Abweichungen übernommen.

Technisch gesehen lag dem Ständerat ein Protokoll zur Änderung des Zinsbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und der EU vor. Neben dem automatischen Informationsaustausch und dem Austausch auf Anfrage umfasst es Bestimmungen zur Quellensteuerbefreiung von grenzüberschreitenden Zahlungen zwischen verbunden Unternehmen.

Die Bestimmungen wurden unverändert aus dem bestehenden Zinsbesteuerungsabkommen übernommen. Damit werden Schweizer Gesellschaften, die Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren von anderen Konzerngesellschaften aus einem EU-Mitgliedstaat erzielen, vergleichbare steuerliche Vorteile gewährt wie Gesellschaften, die in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind.

Die Einführung des AIA mit den EU-Mitgliedstaaten erfolgt gestützt auf das AIA-Abkommen mit der EU. Die EU-Mitgliedstaaten verfügen damit künftig über mehrere Rechtsgrundlagen, um von der Schweiz Informationen zu verlangen. Sie können sich auf das Abkommen mit der EU, das Amtshilfeübereinkommen oder allenfalls auf ein Doppelbesteuerungsabkommen berufen.

Das AIA-Abkommen mit der EU regelt, welche Informationen jährlich zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz auszutauschen sind. Meldepflichtig sind nicht nur Banken, sondern auch Investmentunternehmen und bestimmte Versicherungsgesellschaften. Gemeldet werden Informationen zur Identität der Person und zum Konto, inklusive Saldo und Zinsen.

Ohne «Gegenleistung»
Vor den Verhandlungen über den AIA wurde im Parlament die Forderung laut, die Schweiz müsse auf eine Gegenleistung pochen: die Wahrung und Verbesserung des Marktzutritts für Schweizer Banken im EU-Raum. Der Bundesrat schreibt, er habe das Anliegen eingebracht.

Die Verhandlungspartner auf EU-Ebene und auch die einzelnen EU-Mitgliedstaaten hätten aber durchwegs «verhalten bis negativ» auf eine formelle Verbindung der beiden Dossiers reagiert, da sie den AIA als globalen, verbindlichen Standard betrachtet hätten.

Mit der Europäischen Kommission wurden zwar exploratorische Gespräche über die Möglichkeit eines sektoriellen Finanzdienstleistungsabkommens aufgenommen. Die EU macht eine Weiterführung der Gespräche aber von der Entwicklung der Gesamtbeziehungen zur Schweiz abhängig, namentlich in Sachen Personenfreizügigkeit und institutionelle Fragen. (awp/mc/upd/ps)

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