Zürich – Die hohe Zahl an Einwanderern in die Schweiz spitzt zwar den Wohnungsmangel zu. Das Problem bestehe aber schon länger als etwa die Personenfreizügigkeit mit der EU und sei weitgehend hausgemacht, sagt die liberale Denkfabrik Avenir Suisse.
Steigende Mieten seien vielmehr das Resultat einer massiven Zunahme des Wohlstandes, von Markteingriffen und zu geringem Wohnungsbau in den letzten Jahren. Dies besagt das am Dienstag vor den Medien in Zürich vorgestellte Diskussionspapier «Wanderung, Wohnen und Wohlstand», welches der Immobilienexperte Patrik Schellenbauer für Avenir Suisse verfasste. So seien die Reallöhne seit 1970 um gut 65% gestiegen. Die Mieten hätten gleichzeitig auf dem Neu- und Wiedervermietungsmarkt teuerungsbereinigt nur um 38,5% zugenommen. Mit der gleichen Arbeitsdauer könne man sich heute im Schnitt ein Viertel mehr Wohnraum leisten, rechnete Schellenbauer vor.
Mobiler Teil des Mittelstandes benachteiligt
Avenir Suisse, eine von Konzernen getragene Stiftung, möchte den Markt spielen lassen. Denn benachteiligt sei derzeit vor allem der mobile Teil des Mittelstandes, also viele Leistungsträger, die mit einem schmalen Angebot an neuen und freien Wohnungen konfrontiert seien. Hier stiegen die Mieten tatsächlich stark, auch wegen der Einwanderung, wie kürzlich auch eine Studie des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) zeigte. Viele eingesessene Mieter wohnen dagegen laut Avenir Suisse zu billig: Regulierungen wie das gesetzliche Prinzip, wonach die Mieten nur gebunden an die Kostenentwicklung steigen dürften, und der gemeinnützige Wohnungsbau führten zu Fehlentwicklungen, vor allem in Städten.
Mieten in Stadt Zürich weniger gestiegen als Schweizer Durchschnitt
So seien die Mieten in der Stadt Zürich trotz starker Einwanderung weniger gestiegen als im Schweizer Durchschnitt. Drei Viertel der Stadtbewohner seien durch Kostenmiete und gemeinnützigen Wohnungsbau von den Auswirkungen der zunehmenden Nachfrage geschützt. Dies fördert laut Avenir Suisse die Unterbelegung des bestehenden Wohnungsparks, Umzüge seien unattraktiv. Warum zunehmend auch mittelständische Familien vergünstigten Wohnraum erhalten, andere ähnliche Haushalte hingegen nicht, sei eine nicht zu beantwortende Frage.
Subventionierung zulasten der Allgemeinheit
Allein in der Stadt Zürich zahlten Altmieter und Mieter von Genossenschaftswohnungen jährlich rund 530 Mio. Franken weniger, als bei Marktmieten fällig wären. Diese Subventionierung gehe zulasten der Allgemeinheit, etwa durch Ertragsausfällen bei Baurechten und städtischen Wohnungen sowie Pensionskassen. Der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband weist dies in einer Stellungnahme als haarsträubende Berechnung zurück: Wohnbaugenossenschaften verzichteten im Gegensatz zu Privaten darauf, eine Rendite zu erzielen. Zudem werde der Flächenbedarf bei vielen Wohnbaugenossenschaften durch Belegungsvorschriften begrenzt. Die Studie sei naiv marktgläubig.
Deregulierung aussichtslos
Avenir Suisse räumt ein, dass eine Deregulierung der Wohnungsmärkte politisch praktisch aussichtslos sei. Höhere Bodenpreise und Mieten wären aber das notwendige ökonomische Signal zu einem schonenderen Umgang mit dem Boden, hiess es. Zudem würden höhere Mieten mittelfristig durch attraktiver werdende Bautätigkeit und geringeren Wohnraumbedarf pro Kopf wieder gedrückt. Bis anhin sei die Wohnkostenbelastung durch einen hohen Bodenverbrauch zu tief gehalten worden. Der Zielkonflikt zwischen tiefen Mieten, haushälterischer Bodennutzung und Wohlstand durch Einwanderung von Spezialisten lasse sich nicht einfach lösen. Für Avenir Suisse wäre mit Abstand der beste Ansatz, die Siedlungen in den Städten zu verdichten, beispielsweise durch höhere Häuser. (awp/mc/ss)