Axpo im «perfekten Sturm»
Baden – Bei der Axpo hat das vergangene Geschäftsjahr alles auf den Kopf gestellt. Der grösste Schweizer Energiekonzern musste Hilfe beim Bund beantragen, Umsatz und Betriebsgewinn sind wegen der extrem gestiegenen Strompreise explodiert und altbewährte langfristige Absicherungsstrategien wurden über den Haufen geworfen.
Konzernchef Christoph Brand sprach am Donnerstag an der Bilanzmedienkonferenz vom «perfekten Sturm» und von beispiellosen Verwerfungen an den Energiemärkten. Mit dem Ukraine-Krieg, dem Ausfall eines grossen Teils der französischen Atomkraftwerke und wegen der extremen Trockenheit in Europa stiegen die Preise für Strom und Gas zeitweise auf über 1000 Euro die Megawattstunde. Damit lagen sie teils 20 Mal höher als im Durchschnitt der vergangenen Jahre.
Die Gesamtleistung der Axpo im Geschäftsjahr 2021/22 (per Ende September) stieg in der Folge auf 10,5 Milliarden Franken nach 6,1 Milliarden im Vorjahr. Die eigene Stromproduktion aus Atomkraft, Wasserkraft und erneuerbaren Energien ging allerdings zurück, was der Konzern durch Stromzukäufe am Markt kompensieren musste. In der Folge fiel das bereinigte Betriebsergebnis EBIT mit 392 Millionen Franken deutlich tiefer aus als im Vorjahr mit 643 Millionen.
Keine Dividende wegen Rettungsschirm
Nicht berücksichtigt sind dabei diverse Sonderfaktoren wie die rückläufige Rendite der Stilllegungs- und Entsorgungsfonds (-327 Mio Fr.) sowie negative buchhalterische Effekte durch Absicherungsgeschäfte (-1,5 Mrd), die sich aber in den Folgejahren wieder auflösen und dann das Ergebnis positiv beeinflussen werden.
Stark positiv wirkte sich hingegen eine Wertsteigerung des Kraftwerkparks aus, welche die Gruppe angesichts der stark gestiegenen Strompreise und der Preiserwartungen für die Zukunft vornahm (+3,2 Mrd). Das Gegenteil war noch vor etwa sieben Jahren der Fall, als der Grosshandelspreis für Strom am Boden war: Damals musste die Axpo Milliardenabschreiber auf die Produktionsanlagen in der Schweiz vornehmen und erlitt dementsprechend hohe Verluste in den Geschäftsjahren 2014/15 und 2015/16.
Der ausgewiesene EBIT unter Berücksichtigung aller Sonderfaktoren stieg 2021/22 auf 1,7 Milliarden Franken an nach 516 Millionen im Vorjahr. Unter dem Strich machte die Axpo einen Unternehmensgewinn von 594 Millionen nach einem solchen von 607 Millionen im Jahr 2020/21. Wegen der vom Bund gewährten Kreditlinie fliessen keine Dividenden an die Aktionäre.
Milliarden für Absicherungen abgeflossen
Anfang September hatte der Bundesrat dem Konzern auf dessen Antrag notfallmässig eine Kreditlinie in der Höhe von 4 Milliarden Franken gesprochen. Bisher musste der Energieversorger den Rettungsschirm aber noch nicht in Anspruch nehmen.
In der Branche war es bis zur jetzigen Energiekrise üblich, die Stromproduktion zu einem festen Preis bereits bis zu drei Jahre im Voraus zu verkaufen. So werden Einnahmen und Gewinne gesichert. Für den Stromhandel müssen Energieunternehmen an der europäischen Energiebörse allerdings Sicherheiten hinterlegen.
Und weil die Märkte bereits seit einem Jahr extrem volatil sind und die Preise massiv angestiegen sind, haben sich die erforderlichen Sicherheiten vervielfacht. Das sorgt bei grossen Stromproduzenten wie der Axpo für einen viel höheren Liquiditätsbedarf als normalerweise. Die Mittel würden allerdings im Zuge der Auslieferung des im Voraus versprochenen Stroms ab dem nächstem Kalenderjahr schrittweise wieder an Axpo zurückfliessen, heisst es.
Mittelfristig positiver Ausblick
Künftig will der Konzern Gegensteuer geben: Bereits Anfang 2022 habe man die langfristige Absicherung für den in der Schweiz produzierten Strom gestoppt. Es werde nicht mehr die volle Produktion über drei Jahre im Voraus verkauft, sagte CEO Brand. Wie viel weiterhin abgesichert wird und wie viel kurzfristig verkauft wird, sei Geschäftsgeheimnis. Man habe aber «mehr Spielraum, flexibel zu reagieren».
Auswirken wird sich die neue Strategie erst ab 2025, weil die Lieferungen in den kommenden Jahren 2023 und 2024 vor dem Wechsel bereits verkauft waren. Für 2025 wird dann weniger im Voraus verkauft.
Es sei ein Abwägen der Risiken, sagte Finanzchef Joris Gröflin. Solange der Marktpreis sich mehr oder weniger stabil bewegte, habe sich die 2013 eingeführte Absicherungsstrategie bewährt. Das sei im jetzigen volatilen Markt nicht mehr der Fall. Das Liquiditätsrisiko müsse reduziert werden, denn da kämen die Probleme «schnell und sofort», sagte Gröflin. Mittelfristig würden sich die höheren Preise so oder so positiv auf das Resultat auswirken. (awp/mc/pg)