Bern – Der Nationalrat spannt für den in finanzielle Schieflage geratenen Stromkonzern Axpo ein Sicherheitsnetz auf. Als Erstrat hat er am Montagabend einem Nachtragskredit von vier Milliarden Franken zugestimmt. Auch der Ständerat entscheidet noch diese Woche.
Die grosse Kammer hiess den ordentlichen Nachtragskredit zum Budget 2022 mit 137 zu 46 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Die neuen Regelungen zum Rettungsschirm für systemrelevante Stromunternehmen dürften bereits am Samstag in Kraft treten und das derzeit geltende Notrecht ablösen.
Drei Minderheitsanträge der SVP, die die Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe weiter verschärfen wollten, blieben chancenlos. Sie genossen zwar parteiübergreifend da und dort Sympathie, wurden aber mit Hinweis auf das Einwirkungsrecht des Parlaments allesamt abgelehnt, jeweils mit 134 zu 50 Stimmen. Rahmenbedingungen für die Kreditgewährung hätten ins gleichentags bereinigte Gesetz zum Rettungsschirm gehört, so der Tenor.
Die SVP wollte, dass sich die Eigentümer der Konzerne zu gleichen Teilen am Kredit beteiligen müssen. Weiter verlangte sie eine umfassende Risikoprüfung sowie die Aussetzung des spekulativen Eigenhandels für Konzerne, die von der Bundesgarantie profitierten.
Falscher Moment für Korrekturen
Heute sei nicht der Zeitpunkt, um systemische Fehler zu korrigieren. Es gelte nun, für die Sicherheit der Stromversorgung in der Schweiz zusammenzustehen, sagte Sarah Wyss (SP/BS) namens ihrer Fraktion. Die Rahmenbedingungen gehörten ins Gesetz oder seien bereits erfüllt, wandte sich auch Roland Fischer (GLP/LU) gegen die Minderheitsanträge der SVP.
Der Bundesrat und die grosse Mehrheit des Nationalrates wollten mit dem Kredit verhindern, dass die Axpo in Liquiditätsprobleme gerät, die schlimmstenfalls die Energieversorgung der Schweiz gefährden könnten. Die Axpo musste schon mehrere Milliarden Franken als Sicherheit für den Stromhandel einstellen. Mehrere Milliarden könnten noch dazu kommen. «Das Geschäftsgebahren im teilliberalisierten Markt treibt absonderliche Blüten», kommentierte Claudia Friedl (SP/SG).
Die von der SVP erzwungene ausserordentliche Debatte zum Axpo-Kredit wurde von deren Vertreterinnen und Vertretern zahlenmässig nur in homöopathischer Dosis im Saal verfolgt. Er gebe zu, dass ihn das auch geärgert habe, sagte Finanzminister und SVP-Bundesrat Ueli Maurer dazu.
«Wollen wir nie mehr sehen»
Letztlich hatte niemand Freude an den Sicherheitsmilliarden, die der Bund den Stromunternehmen zur Verfügung stellen muss. Das System, dass zu dieser Situation geführt habe, gehöre hinterfragt, führte Heinz Siegenthaler (Mitte/BE) aus. «So ein Geschäft wollen wir künftig nie mehr sehen.»
Für die Grünen liegt «eindeutig Systemversagen vor», wenn Stromkonzern auf die Schnelle plötzlich Milliarden benötigen, wie es Kurt Egger (Grüne/TG) formulierte. Die Teilliberalisierung des Strommarktes habe sich nicht bewährt. «Es braucht rasche Reformen, um solche Rettungsaktionen künftig zu verhindern.»
Schlecht weg kamen in der Debatte insbesondere die Kantone, also die Eigner der Stromkonzerne. Diese sollten sich endlich «wie verantwortungsvolle Eigentümer aufführen und nicht im Lehnstuhl zusehen, wie andere ihre Stromkonzerne retten», machte Nicolo Paganini (Mitte/SG) seinem Ärger Luft.
Kantone in der Kritik
Es sei schon erstaunlich, dass die Eigentümer der Konzerne nicht in der Lage seien, deren Liquidität sicherzustellen, sagte Roland Fischer (GLP/LU). Er stelle sich schon die Frage, ob die Kantone die richtigen Eigentümer seien. Man müsse sich vertieft Gedanken machen über die Ausgestaltung des Strommarktes. «Eine stärkere Regulierung der Unternehmen ist unumgänglich, ähnlich wie bei den Grossbanken.»
Finanzminister Maurer nahm die Kantone insofern etwas in Schutz, als diese im Notfall so viel Geld nicht in so kurzer Frist zur Verfügung stellen könnten. Schliesslich müssten die Kredite im Fall der Axpo noch durch acht Kantonsparlamente geschleust werden. Er erinnerte aber auch daran, dass die Kantone in die Pflicht genommen seien. Sie tragen die Hälfte der Verluste, sollte bei systemrelevanten Unternehmen tatsächlich ein finanzieller Schaden eintreten.
Auch er habe keine Freude an der Vorlage, so Maurer. Aber sie sei so ausgestaltet, «dass sie robust genug ist, um die Stromversorgung sicherzustellen und dem Steuerzahler keine Last aufzubürden.» Es gehe letztlich um die Sicherstellung der Stromversorgung in der Schweiz, nicht um die Rettung der Axpo.
Befristetes Gesetz löst Notrecht ab
Mit dem Ja des Nationalrates zeichnet sich ab, dass die Notverordnung, mit der der Bundesrat der Axpo zu Hilfe eilte, ab dem 1. Oktober durch ein dringliches und bis Ende 2026 befristetes Gesetz abgelöst werden kann.
Die letzten Differenzen zwischen den beiden Räten bei den gesetzlichen Grundlagen für den Rettungsschirm von insgesamt zehn Milliarden Franken hat der Nationalrat am Montag bereinigt. Der Ständerat muss nur noch über die Dringlichkeit entscheiden. (awp/mc/ps)