Baden – Angesichts des beschlossenen Ausstiegs aus der Atomkraft will der Stromkonzern Axpo beim Ausbau der erneuerbaren Energien Gas geben. Wegen der stark beschränkten Möglichkeiten in der Schweiz soll in Sonnen- und Windkraftwerke vor allem im Ausland investiert werden.
Die Axpo habe ambitionierte Wachstumsziele in den nächsten zehn Jahren, sagte der neue Konzernchef Christoph Brand am Donnerstag in einer Online-Medienkonferenz. Bis 2030 wolle man die Produktionskapazität von Photovoltaikanlagen um 10 Gigawatt (GW) vergrössern. Die Kapazität würde damit gegenüber dem heutigen Stand verzwanzigfacht.
Die Produktion von Windkraft soll um 3 GW ausgebaut und damit verzehnfacht werden. Und die langfristigen Stromlieferverträge aus erneuerbarer Produktion will die Axpo vervierfachen. Zudem investiere man in Wasserstoff und Batteriespeicher, sagte Brand.
Schneckentempo in der Schweiz
Der Ausbau der Photovoltaikkapazität findet vor allem im europäischen Ausland statt, hierzulande soll die Kapazität lediglich auf 200 Megawatt erhöht werden. «In der Schweiz sehen wir eine Differenz zwischen energiepolitischen Wünschen und wirtschaftlicher Realität», sagte Brand. Der Ausbau der erneuerbaren Energien dauere hierzulande viel zu lange.
Die Wasserkraft sei strukturell benachteiligt und wegen der Wasserzinsen nicht wirtschaftlich. Beim jetzigen Tempo würde es 100 Jahre dauern, bis man die Atomkraftwerke ersetzt hätte.
«Wir investieren daher in erneuerbare Energien, wo es wirtschaftlich Sinn macht», sagte Brand. Der Fokus liege auf Frankreich, Spanien und Deutschland. Eine Photovoltaikanlage in Spanien sei deutlich effizienter als eine im Berner Mittelland.
Die Höhe der nötigen Investitionen für die Ausbauziele konnte Brand auf Anfrage nicht beziffern. Denn man wisse nicht, wie sich die Preise bis 2030 entwickeln würden.
Gewinn gesunken
Die Axpo hat nach dem Höhenflug im Vorjahr im abgelaufenen Geschäftsjahr 2019/20 (per Ende September) wie erwartet einen Gewinnrückgang ausgewiesen. Während der Umsatz (Gesamtleistung) leicht um 1 Prozent auf 4,81 Milliarden Franken sank, gab der Gewinn deutlich nach.
Der Betriebsgewinn (EBIT) fiel auf 791 Millionen Franken von 850 Millionen Franken im Vorjahr. Unter dem Strich fuhr die Axpo einen Reingewinn von 570 Millionen Franken ein, nachdem ein Jahr zuvor noch 865 Millionen Franken in der Kasse geklingelt hatten.
Doch der Rückgang kommt nach dem Spitzenergebnis des Vorjahres nicht überraschend. Diesen hatte Verwaltungsratspräsident Thomas Sieber schon vor zwölf Monaten angekündigt. Denn im Vorjahr hatten sich sehr viele Sondereinflüsse zu Gunsten der Axpo ausgewirkt. So hatten Wertaufholungen das Ergebnis um über 300 Millionen nach oben gedrückt.
Corona sorgt für Verlust
Und dann schlug noch die Coronapandemie zu: Der Crash der Finanzmärkte im Frühling drückte die Axpo im ersten Semester gar in die roten Zahlen.
Operativ lief es dagegen sehr gut: Ohne die schwankungsanfälligen Fonds für die Stilllegung und Entsorgung der Kernkraftwerke (Stenfo) wäre das Betriebsergebnis gegenüber dem Vorjahr um zwei Drittel gestiegen, sagte Finanzchef Joris Gröflin. Dies ist hauptsächlich höheren Strompreisen und dem Spitzenergebnis im Energiehandel zu verdanken.
Erste Dividende seit vielen Jahren
Wegen des sehr guten Ergebnisses will der Stromkonzern erstmals seit dem Jahr 2012/13 wieder eine Dividende in Höhe von 80 Millionen Franken zahlen. Das sei ein Jahr früher als geplant, sagte Brand. Die Dividende geht an die Nordost- und Innerschweizer Kantone und Kantonswerke, in deren Besitz sich die Axpo zu 100 Prozent befindet.
Die Aussichten sind derweil gedämpft. Die Coronapandemie bremse die Wirtschaft und damit die Stromnachfrage, heisst es. Zudem könnten die Finanzmärkte wegen der Seuche tauchen.
Für das neue Geschäftsjahr 2020/21 geht der Stromkonzern deshalb von einem tieferen Ergebnis aus. Wie stark der Rückgang ausfalle, wollte Brand nicht prognostizieren. Er habe keine Kristallkugel, sagte er. (awp/mc/ps)