Bern – Eine Rekordzahl von Neuansteckungen mit dem Coronavirus und dennoch stabile Lage in den Spitälern: Als Grund dafür sieht das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante. Weil deren Krankheitsverläufe aber weniger schwer sind, belastet die Entwicklung die Intensivstationen noch nicht.
Allerdings rechnet Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit im BAG, mit einer starken Zunahme der Spitaleintritte im Zusammenhang mit einer Covid-19-Ansteckung. Die hohe Zahl an positiven Tests – solchen, die eine Ansteckung bestätigen – lasse zudem darauf schliessen, dass viele Ansteckungen unentdeckt blieben.
In der Schweiz stehen derzeit 100’000 Tests pro Tag zur Verfügung, und davon würden rund 60’000 auch gemacht, sagte Mathys. Früher oder später werde es bei höheren Fallzahlen allerdings nicht mehr möglich sein, immer im heutige Umfang zu testen. Und Herdenimmunität sei mit Blick auf immer neue Coronavirus-Varianten sowieso eine theoretische Angelegenheit.
Impfdurchbrüche bei «Geboosterten»
Selbst eine dritte Impfung, eine Auffrischungs- oder Booster-Impfung, schützt nicht vollständig vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus. Derzeit seien 357 «geboosterte» Personen in Spitalbehandlung wegen eines sogenannten Impfdurchbruchs, schrieb das BAG am Dienstag zu Angaben des Nachrichtenportals nau.ch vom Montag.
Von Omikron stark betroffen sein werden Kinder als die am wenigsten oder nicht geimpfte Gruppe, wie Alain Di Gallo von der wissenschaftlichen Covid-Task-Force sagte. Wichtigstes Ziel sei dennoch die Offenhaltung der Schulen.
Task Force warnt
Wenn die Kontakthäufigkeit gleich bleibe, würden durch die Zunahme des Anteils von Omikron die absoluten Corona-Fallzahlen zunehmend schneller ansteigen, warnte die Corona-Task-Force in ihrem Bericht vom Dienstag.
«Momentan steigen die Fallzahlen um rund 45 Prozent pro Woche. Eine weitere Zunahme der Fälle würde zu vielen Krankheitsfällen und damit auch Arbeitsausfällen in kritischen Bereichen wie dem Gesundheitssystem führen und Testkapazitäten überlasten», hiess es weiter. Wenn Kontakte reduziert werden, könne dieser absolute Anstieg der Fallzahlen gebremst werden.
Die SBB warnten am Dienstag vor Zugausfällen wegen Krankheit beim Personal. Die Situation sei «zunehmend angespannt», hiess es auf deren Homepage. Im Tessin wurde der Fahrplan wegen erkrankter Lok- und Zugführer bereits ausgedünnt.
Belastung für Gesundheitspersonal
Die hochansteckende Omikron-Variante führt auch zu einer zusätzlichen Belastung des Gesundheitswesens, wie Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte (VKS), sagte. Grund seien Personalausfälle in den Spitälern, wenn Mitarbeitende in Isolation oder in Quarantäne müssten.
Bei den Quarantäneregeln bemühen sich die Kantone gemäss Hauri um möglichst einheitliche Regelungen. In den vergangenen Tagen hatten die meisten Kantone nicht nur die Quarantänedauer von zehn auf sieben Tage verkürzt, sondern auch Ausnahmen eingeführt für Personen, die keinen engen Kontakt zu Infizierten hatten und nicht im selben Haushalt leben. Jeder Fall werde aber genau beurteilt.
Über 20’000 Ansteckungen
Am Dienstag wurden dem BAG innerhalb von 24 Stunden 20’742 neue Coronavirus-Ansteckungen für die Schweiz und Liechtenstein gemeldet. Gleichzeitig registrierte das BAG 15 neue Todesfälle und 109 Spitaleintritte.
Am gleichen Tag vor einer Woche hatte das BAG noch Meldungen über 13’375 bestätigte Neuinfektionen, 124 Spitaleintritte und 17 Todesfälle erhalten. Damit sind die Fallzahlen innert Wochenfrist um 55,1 Prozent gestiegen. Die Spitaleintritte wiederum nahmen im Vergleich zur Vorwoche um 12,1 Prozent ab.
Die Auslastung der Intensivstationen in den Spitälern beträgt zurzeit 76,00 Prozent. 34,60 Prozent der verfügbaren Betten werden von Covid-19-Patienten belegt.
Auf 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner wurden in den vergangenen zwei Wochen 2082,88 laborbestätigte Coronavirus-Infektionen gemeldet. Die Reproduktionszahl R, die angibt, wie viele Personen eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt, lag vor rund zehn Tagen bei 1,37. Unterdessen sind 67,27 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz vollständig geimpft. (awp/mc/ps)