SBB Intercity-Pendelzug. (© SBB Fotodienst / Alain D. Boillat)
Bern – Das Schweizer Schienennetz kann saniert und ausgebaut werden. Volk und Stände haben am Sonntag die Bahnvorlage FABI deutlich gut geheissen: 62% der Stimmenden sagten Ja, 38% Nein. Rund 1’776’700 Personen sprachen sich für FABI aus, 1’088’200 dagegen. Eine Nein-Mehrheit resultierte lediglich im Kanton Schwyz. Am meisten Zustimmung erhielt die Bahnvorlage im Kanton Genf mit fast 77%.
Auch in den Kantonen Waadt, Basel-Stadt und Tessin lag die Zustimmung über 70%. Mit einem gesamtschweizerischen Ja-Stimmen-Anteil von 62% schnitt FABI besser ab als in der letzten SRG-Umfrage, als sich 56% der Befragten für die Vorlage ausgesprochen hatten.
Investitionen nötig
SVP-Nationalrat Walter Wobmann und seine Mitstreiter konnten den Erfolg, den sie im November bei der Vignetten-Abstimmung erzielt hatten, nicht wiederholen. Für die Mehrheit der Bevölkerung steht offenbar ausser Zweifel, dass Investitionen ins Schienennetz nötig sind.
Mit dem Ja zum Bundesbeschluss über die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur (FABI) haben Volk und Stände dafür grünes Licht gegeben. In der Verfassung ist nun verankert, dass Betrieb, Unterhalt und Ausbau des Schienennetzes künftig aus einem Topf finanziert werden. Der Bund muss mehr Mittel bereitstellen, im Jahr rund 5 Mrd CHF statt wie bisher 4 Mrd.
Neuer Bahnfonds
Die Gelder fliessen in den neuen, unbefristeten Bahninfrastrukturfonds, der den bisherigen, befristeten FinöV-Fonds ablöst. Sie stammen wie bisher aus allgemeinen Bundesmitteln, der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) sowie der Mehrwertsteuer und – befristet – der Mineralölsteuer.
Für die zusätzliche Milliarde müssen die Kantone und die Konsumenten aufkommen: Von 2018 bis 2030 fliesst ein Mehrwertsteuerpromille in die Bahninfrastruktur. Diese befristete Erhöhung löst jene zugunsten der Invalidenversicherung ab, die Ende 2017 ausläuft.
Halb- und Viertelstundentakt
Die erste Etappe des Ausbaus hat das Parlament bereits beschlossen, geplant sind Massnahmen im Umfang von 6,4 Mrd CHF. Die Investitionen sollen auf mehr Strecken den Halbstundentakt ermöglichen und in städtischen Gebieten den Viertelstundentakt. Weiter sollen Bahnhöfe ausgebaut werden.
Gegen das Massnahmenpaket könnte noch das Referendum ergriffen werden: Nach dem Ja zu FABI beginnt die Referendumsfrist zu laufen. Angesichts des deutlichen Entscheides scheint es jedoch eher unwahrscheinlich, dass das Volk noch darüber entscheiden muss.
Pendlerabzug begrenzen
In Betracht ziehen die FABI-Gegner das Referendum gegen die Begrenzung des Pendlerabzugs. Entscheiden wollen sie nächste Woche. Gemäss Parlamentsbeschluss soll, wer mit dem Zug oder dem Auto zur Arbeit fährt, bei der direkten Bundessteuer künftig nur noch maximal 3000 CHF abziehen können.
Zu den Betroffenen gehören Bahn-Pendler mit einem Generalabonnement der 1. Klasse sowie Auto-Pendler mit langen Arbeitswegen. Letztere könnten nur noch die Kosten für 20 bis 35 Kilometer pro Tag abziehen.
Im Schatten der SVP-Initiative
Der Widerstand gegen FABI richtete sich gegen all diese Pläne. Viel Gehör fanden die Gegner indes nicht. Zwar bekämpfte neben dem Nutzfahrzeugverband ASTAG und dem Verband der Autoimporteure auto-schweiz auch die SVP die Bahnvorlage, doch fokussierte sie im Abstimmungskampf auf ihre Masseneinwanderungsinitiative, die stets im Zentrum der Aufmerksamkeit stand.
Kritisiert hatten die Gegner vor allem, dass Auto- und Lastwagenfahrer weiterhin die Schiene mitfinanzieren müssen. Mit dem Ja vom Sonntag hat das Volk nun bestätigt, dass es dies grundsätzlich gutheisst. Die Diskussion um die Finanzierung des Verkehrs aber geht weiter.
Strassenfonds in Planung
In der nächsten Runde wird sich alles um die Strassen drehen, für deren Finanzierung ebenfalls ein Fonds geschaffen werden soll. In Kürze dürfte der Bundesrat das Projekt in die Vernehmlassung schicken. Gespiesen würde der Fonds unter anderem aus dem Mineralölsteuerzuschlag, der erhöht werden soll.
Die Autoverbände machen – wie bei der Bahn der VCS – mit Volksbegehren Druck, der Initiative «für eine faire Verkehrsfinanzierung» (Milchkuh-Initiative) und der Initiative «Strassengelder gehören der Strasse». Sie fordern, dass der Ertrag aus der Mineralölsteuer vollumfänglich in die Strasseninfrastruktur fliesst.
Heute ist in der Verfassung verankert, dass die Hälfte des Reinertrags aus der Mineralölsteuer der Strasse zugute kommt. Sollten die Initiativen angenommen werden, würden der Bundeskasse Gelder entgehen. Der Bahninfrastrukturfonds wäre jedoch nicht tangiert. Er ist mit dem Ja vom Sonntag am Trockenen. (awp/mc/ps)