Baloise Session: Über die Treppe zum Himmel und zu den Tiefen der Weltmusik
Einmal mehr bietet dieser einmalige Treffpunkt grossartiger Musiker Überraschungen, Berührendes, Mitreissendes für alle, die Legenden der Musik ganz nah erleben möchten. Diesmal Robert Plant mit seiner aktuellen Formation Saving Grace und der irischen Akkordeonistin und Sängerin Suzi Dian und zuvor Marty Stuart & His Fabulous Superlatives. Statt seinen Legendenstatus der Led Zeppelin-Zeit zu pflegen, erfindet sich Robert Plant mit seiner nach wie vor unglaublichen Stimme, viel Witz, Ironie und einem tiefen Verständnis für die Wurzeln der Musik ständig wieder neu und begeistert damit auch das Publikum in Basel.
Von Helmuth Fuchs
Vor Plants Auftritt bringen Marty Stuart & His Fabulous Superlatives das Publikum in Stimmung. Auch bei ihnen darf man den Ausdruck «Legenden» getrost verwenden. Seit über 50 Jahren hütet der heute 66-jährige Marty Stuart das Erbe der amerikanischen Countrymusik durch sein Werk und seine bemerkenswerte Sammlung (die er vor Kurzem der Country Music Hall of Fame vermacht hat). Ein Multiinstrumentalist und Zauberer auf der Mandoline, lässt er Rockabilly genau so in seine Musik einfliessen wie Blues, Bluegrass oder Gospel.
Mit «tear the Woodpile down» legte er zusammen mit dem Gitarristen Kenny Vaughan dem Drummer Harry Stinson und dem Bassisten Chris Scruggs gleich mächtig los. Und das Tempo blieb hoch mit Stücken wie «whole lotta Highway» und weiteren bekannten Trouvaillen aus seinem Werk, bis dann mit der wunderbaren a capella version «Heaven» allen eine kleine Verschnaufpause gegönnt wurde. Mit «Orange Blossom Special» kurz vor Schluss und nochmals als Zugabe begeisterte Marty Stuart mit seinen Fabulous Superlatives in passend fabulösen Kostümen das Publikum in der Messehalle.
So konnte Robert Plant das bestens vorbereitet Terrain gleich nutzen und er tat es mit dem alten englischen Volkslied «Cuckoo», das in der Interpretation mit dem Mandolinenspiel von Tony Kelsey und dem Gesang von Suzi Dian zu einem kontinentüberspannenden Klangteppich verwoben wurde, da es genau so gut von den amerikanischen Great Plains hätte stammen können. Robert Plant hat sich nach seiner Karriere als Sänger von Led Zeppelin zu einem, im wahrsten Sinne des Wortes, Weltmusiker entwickelt, der mit einem untrüglichen Gespür in die Tiefen der Musik aus unterschiedlichen Jahrhunderten, aus unterschiedlichen Musikstylen und Kulturen eintaucht und dort Perlen findet und sie auf einzigartige Weise mit seiner Stimme und seinen Arrangements poliert und zum Glänzen bringt.
In «Angel Dance» holt er sich die Inspiration bei Los Lobos, macht Raum für Matt Worley und sein Quatro-Spiel und führt so spanisch-mexikanische Rhythmen und irisch anmutende Klänge harmonisch zusammen. In «Orphan Girl» führt die Stimme von Suzi Dian in Harmonie mit Plants zurückhaltendem Gesang und der sehr dezenten musikalischen Begleitung der Band zu berührenden Momenten.
Es ist eine herausragende Qualität Robert Plants, dass er sich immer wieder zurücknimmt, zwischenzeitlich aus dem Scheinwerferlicht in den dunkeln Bühnenrand wegtaucht und Raum für seine Bandmitglieder schafft. In «Rain Song» kommt alles zusammen: Matt Worley mit einer akustischen Gitarre und Suzi Dian mit dem Akkordeon , die Urgewalt von Plants Stimme, der breite Perkussionsteppich von Oli Jefferson und das dezente und dennoch sehr präsente Bariton-Gitarrenspiel von Ton Kelsey.
Bei den Zugaben gibt es mit «I never will?» und «Gallows Pole» ein Abschiedsgeschenk tief aus der musikalischen Vergangenheit, rasante Rhythmen und in die Seele greifende a capella-Harmonien von Plant und Dian. Plant hat an diesem Abend die Grenzen dessen, was eine Musiklegende sein kann, erweitert und gezeigt, wie wenig das Alter (76 Jahre) mit der Kraft einer Stimme, der Bühnenpräsenz, der musikalischen Neugier oder der Freude am Musizieren mit Freunden zu tun haben muss. Und wie viel eine einzelne Person die Musikgeschichte der ganzen Welt mit seinem Talent bereichern kann.