Baselworld 2011: «Hall of Desires».
Basel – Die Uhrenmesse «Baselworld» öffnet am Donnerstag ihre Tore unter günstigen Vorzeichen. Trotz des starken Frankens und der unsicheren konjunkturellen Entwicklung dürfte die Schweizer Uhrenindustrie 2012 nämlich den ausgezeichneten Geschäftsgang des vergangenen Jahres noch einmal übertreffen.
Während acht Tagen wird sich alles, was in der Branche Rang und Namen hat, an der bedeutendsten Uhrenmesse der Welt ein Stelldichein geben. Insgesamt werden 1’815 Aussteller einen Stand besetzen, darunter 311 aus der Schweiz. Sie werden um die Gunst von rund 3’000 Journalisten und mehr als 100’000 Besuchern buhlen. Die Atmosphäre in den Basler Messehallen wird dabei entspannter sein als im vergangenen Jahr, als sich wegen der Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan und den Unruhen in Nordafrika in der Branche Unsicherheit bemerkbar machte. Zumindest was die Schweizer Aussteller betrifft, war die Nervosität unbegründet – 2011 überstiegen die Uhrenexporte den Rekordwert aus dem Jahr 2008.
Weiterhin zweistellige Wachstumsraten erwartet
Für das laufende Jahr erwartet die Branche zwar eine etwas gemächlichere Entwicklung des Absatzes. Nach zwei Jahren des starken Wachstums werde aber weiterhin mit Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich gerechnet, sagt Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbandes der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH). Die Swatch Group als weltweit grösster Uhrenhersteller etwa geht von einem Umsatzplus von 5 bis 10% aus, obwohl die gegenwärtige Währungssituation und das globale Wirtschaftsklima durchaus zur Vorsicht mahnen. Wie 2011 soll das Wachstum vor allem aus Asien und insbesondere aus China kommen. Sehr gefragt sind dort Uhren im Hochpreis- und Luxussegment.
Markt der verschiedenen Geschwindigkeiten
Die verschiedenen Preissegmente zeigten jedoch eine unausgewogene, Entwicklung, erklärt Grégory Pons, Autor eines unabhängigen Uhrenbranchen-Newsletters und Kenner der Szene. Sowohl Luxus- als auch Billiguhren würden sich sehr gut verkaufen, im mittleren Preissegment jedoch gehe derzeit nicht viel. Nur jene Mittelpreis-Marken, die ein starkes Mutterhaus im Rücken hätten, könnten sich dieser Faktenlage entziehen, sagt Pons. Dazu zählt er allen voran die Swatch-Tochter Tissot, die eine gute Gesundheit aufweise und für ihre Besitzerin zu einer Vorzeigemarke geworden sei.
Die unabhängigen Marken könnten der geballten Marktmacht der Grossen dagegen nur mit einer Nischenmarktstrategie begegnen. So etwa das Genfer Uhrenhaus RJ-Romain Jerome: Gegründet im Jahr 2004, fabriziert es inzwischen jährlich 1’000 bis 1’200 Stückzahlen von Uhren, die Teile von Titanium-Metall oder gar Mondstaub enthalten.
In Produktionskapazitäten investieren
2012 wird auch ein Jahr der grossen Investitionen für die Uhrenbranche sein. Zwanzig Unternehmen sehen gesamthafte Investitionen von über 650 Mio CHF in ihren Schweizer Produktionswerken vor. Dabei sollen bis zu 2000 neue Arbeitsplätze entstehen. Um der stark gestiegenen Nachfrage nachzukommen sowie um die eigene Infrastruktur zu modernisieren, hat die Swatch Group zudem entschieden, keine Uhrwerke und andere Uhrenbestandteile mehr an Dritte zu liefern. Dadurch sind die übrigen Uhrenhersteller gezwungen, ihre Produktion auf andere Bereiche auszuweiten.
Das Risiko, Überkapazitäten zu generieren, bestehe derzeit sicherlich nicht, urteilt Grégory Pons. «Die weltweite Nachfrage hat in den letzten 15 Jahren um das Dreifache zugenommen, die Schweiz hat ihre industriellen Kapazitäten jedoch nicht entsprechend erweitert», sagt er. So herrschten vielerorts Lieferengpässe.
Stellensaldo noch immer im Minus
Auch wenn in diesem Jahr wie angekündigt 2000 Stellen geschaffen würden, sei die Schweizer Uhrenbranche noch weit davon entfernt, die im Jahr 2008 verlorenen Stellen wieder wett zu machen, schätzt Romain Galeuchet, Kommunikationsverantwortlicher beim Arbeitgeberverbandes der Schweizer Uhrenindustrie. Gemäss den aktuellsten Statistiken sind zwischen 2008 und 2010 in der Schweizer Uhrenindustrie nahezu 4800 Arbeitsplätze verschwunden. Im Jahr 2010 beschäftigte der Sektor Uhrenindustrie und Mikrotechnik den Statistiken zufolge etwas mehr als 48’500 Personen. (awp/mc/ps)