Baumeister schalten Bundesrat in GAV-Streit ein
Bern – Im Streit um einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für die Baubranche haben die Baumeister den Bund eingeschaltet. Der Bundesrat müsse den Ende 2011 abgelaufenen GAV verlängern, bis sich die Baumeister und Gewerkschaften auf eine neue Lösung geeinigt hätten.
Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) habe beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ein entsprechendes Gesuch eingereicht, sagte SBV-Direktor Daniel Lehmann am Montag in Bern.
24’000 Unterschriften gesammelt
Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, griffen die Baumeister zu einer aussergewöhnlichen Massnahme: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte taten sie das, was sonst die Gewerkschaften tun: Sie sammelten im vergangenen Dezember beim Baupersonal Unterschriften. Rund 24’000 Bauarbeiter unterzeichneten die Forderung nach einer Verlängerung des 2011 ausgelaufenen GAV. Die Hälfte der Angestellten, die zu diesem Zeitpunkt auf Schweizer Baustellen arbeiteten, hätten das Anliegen unterstützt, schreibt der SBV.
Gaillard hätte auch unterschrieben
Am Montag überreichten SBV-Vertreter die Unterschriften an Serge Gaillard, den Leiter der Direktion für Arbeit beim Seco. Dieser zeigte Verständnis für die Forderung: «Wäre ich Bauarbeiter, hätte ich auch unterschrieben», sagte der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär am Rande der Unterschriftenübergabe zur Nachrichtenagentur sda.
Denn alle Beteiligten hätten ein Interesse daran, dass auf dem Bau kein vertragsloser Zustand herrsche. Gleichzeitig dämpfte Gaillard die Erwartungen der Baumeister: Aus rechtlichen Gründen könne der Bundesrat keinen ausgelaufenen Vertrag für allgemeinverbindlich erklären. Es brauche neue Verhandlungen der Sozialpartner.
Baumeister zu Gesprächen bereit, aber…
Die Baumeister seien nach wie vor offen für Gespräche mit den Gewerkschaften, sagte SBV-Direktor Lehmann im Gespräch mit der sda. Zwei Bedingungen müssten aber erfüllt sein: «Für die Dauer der GAV-Verhandlungen darf es keine Störaktionen oder Streiks geben», sagte Lehmann. Zudem müssten sich alle Sozialpartner zur Vertraulichkeit verpflichten.
Gewerkschaften: «Hilflose PR-Aktion»
Die Gewerkschaften zeigten sich unbeeindruckt vom Vorgehen der Baumeister. Die Unterschriftensammlung sei «eine hilflose PR-Aktion um davon abzulenken, das der Baumeisterverband selbst die Verhandlungen hat scheitern lassen», teilten die Gewerkschaften Unia und Syna mit. Auch die Gewerkschaften sind nach eigenen Angaben gegen einen vertragslosen Zustand in der Baubranche. Deshalb hätten sie dem Baumeisterverband vorgeschlagen, den abgelaufenen GAV bis Ende März zu verlängern. Dieses Angebot hat jedoch der SBV abgelehnt. Denn er ist der Ansicht, dass es eine längere Übergangsfrist braucht.
Das Hauptargument für einen GAV ist bei den Gewerkschaften wie bei den Baumeistern das gleiche: Ohne GAV drohe in der Bauwirtschaft bald eine «massive Zunahme von Lohndumping», heisst es auf beiden Seiten. Für den Fall, dass keine neuen Verhandlungen zustande kommen, drohen die Gewerkschaften mit Streiks.
Vertragsloser Zustand
Im Baugewerbe herrscht seit dem 1. Januar 2012 ein vertragsloser Zustand. Die Gewerkschaften hatten ursprünglich einen ausführlichen Forderungskatalog vorgelegt: Sie wollten insbesondere höhere Mindestlöhne, eine generelle Lohnerhöhung, besseren Schutz für die Bauarbeiter bei Krankheit, einen ausgebauten Kündigungsschutz für ältere Mitarbeiter und Massnahmen gegen Lohndumping.
Die Verhandlungen führten allerdings zu keinem Ergebnis. Die Baumeister pochten darauf, dass es mehr Zeit brauche, um einen neuen Landesmantelvertrag auszuarbeiten. Sie wollten den bisherigen GAV deshalb um ein paar Monate verlängern.
Nach neun Monaten Diskussionen scheiterten die Verhandlungen am 2. November 2011. Seit Anfang Januar streiten die beiden Parteien vor allem um die Art und Weise einer GAV-Verlängerung. (awp/mc/pg)