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Zürich – Bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der Schweiz läuft es zurzeit noch rund: Sie waren in den letzten zehn Jahren noch nie so zufrieden mit dem Geschäftsverlauf. Für die Zukunft bleiben sie verhalten zuversichtlich, der konjunkturelle Höhepunkt scheint überschritten. Obwohl eine leichte Entspannung zu verzeichnen ist, bleibt der Fachkräftemangel eine der zentralen Herausforderungen für die Schweizer KMU. Dies zeigt das aktuelle KMU-Barometer von EY basierend auf Angaben von 700 Unternehmen.
Die Schweizer KMU wirtschaften derzeit ausgezeichnet: 69 Prozent sind rundum zufrieden mit der Geschäftslage, mehr als je zuvor seit Beginn der Befragungen im Jahr 2004. Bei der letzten Umfrage im Februar 2014 lag der Anteil der Unternehmen mit uneingeschränkt guter Geschäftslage noch bei 66 Prozent. Weitere 24 Prozent (Februar: 26 Prozent) bezeichnen die eigene Lage als ‚eher positiv‘.
Für die zweite Jahreshälfte zeigen sich die Schweizer KMU zwar weiterhin zuversichtlich: Mehr als ein Drittel erwartet für die kommenden sechs Monate, dass die Geschäfte anziehen und nur gerade mal vier Prozent erwarten einen Rückgang. Anfang 2014 sah es aber noch besser aus: 42 Prozent erwarteten eine Verbesserung der Geschäftslage.
KMU antizipieren Wachstumsrückgang
Die Konjunkturprognosen sind etwas verhaltener: So rechnen nur noch 26 Prozent der Unternehmen für die kommenden Monate mit einer Verbesserung der Wirtschaftslage in der Schweiz – zu Jahresbeginn gaben dies 51 Prozent an. Auch bei den Investitionen macht sich eine gewisse Zurückhaltung breit, aktuell wollen 18 Prozent der KMU mehr investieren, im Februar waren es 28 Prozent.
Dazu passt, was die Firmenchefs vor rund einem Monat bei der Durchführung der Umfrage zur eigenen Umsatzentwicklung sagten: Es rechnen 46 Prozent für 2014 mit einem Umsatzwachstum, im Februar waren es noch 53 Prozent gewesen. Mehr als zwei Drittel der Verantwortlichen setzen in den kommenden Monaten auf eine Stabilisierung und nur gut ein Drittel auf Wachstum.
«Die Lage der Schweizer KMU ist zurzeit ausgezeichnet», freut sich Alessandro Miolo, verantwortlicher Partner für den Markt Deutschschweiz bei EY. «Die meisten Unternehmen haben genug Aufträge und sind zuversichtlich in die zweite Jahreshälfte gestartet. Ihr Blick auf die weitere Konjunkturentwicklung ist aber weniger heiter, Vertrauen und Investitionsfreude sind zurückgegangen. Insgesamt lassen diese Angaben vermuten, dass der konjunkturelle Höhepunkt bereits überschritten wurde.»
Ukraine-Krise vorerst kein Problem
Die seit Ende 2013 andauernde Ukraine-Krise und die damit verbundenen Sanktionen haben bisher kaum nennenswerte Spuren in den Bilanzen der Schweizer KMU hinterlassen: Nur jedes fünfzigste Unternehmen spürt erhebliche negative Auswirkungen. Sechs Prozent berichtet von geringfügigen negativen Konsequenzen. In Deutschland sind diese Effekte gemäss der analog durchgeführten Umfrage viel stärker spürbar.
Auch Pierre-Alain Cardinaux, verantwortlicher Partner für den Markt Westschweiz bei EY, schätzt die Wirkung der Ukraine-Krise auf die Schweizer Wirtschaft derzeit als begrenzt ein. «Wenn der Konflikt in der aktuellen Form weitergeht und allenfalls zusätzliche Sanktionen ergriffen werden, wird der Ukraine-Effekt bei den Schweizer KMU im zweiten Semester viel stärker zu spüren sein.»
Vertrauen in die Behörden
Die KMU sind nach wie vor zufrieden mit der Schweizer Standort- und KMU-Politik. Die negativen – aber auch die positiven Bewertungen sind seit der letzten Umfrage gesunken. Gemäss Miolo bestätigt dieses Ergebnis die vorhandene Unsicherheit über die weitere Konjunkturentwicklung in der Schweiz.
Fachkräftemangel entscheidende Herausforderung
Die Schweizer KMU haben weiterhin Mühe bei der Besetzung von Expertenstellen. 59 Prozent der Befragten berichten von Schwierigkeiten, ausreichend qualifizierte Mitarbeitende zu finden – im Februar waren es noch 65 Prozent. Gesucht werden in erster Linie technische Fachkräfte und Vertriebsspezialisten. Auch in den Büchern schlägt sich der Fachkräftemangel weniger stark nieder: 29 Prozent der KMU geben an, dass unbesetzte Stellen im eigenen Unternehmen zu realen Umsatzeinbussen führen – im Februar lag der Anteil noch bei 35 Prozent.
Dennoch warnt Miolo: «Mittel- bis langfristig ist der Fachkräftemangel eine der entscheidenden Herausforderungen für die KMU in der Schweiz. Insbesondere kleinere Unternehmen und solche mit wenig bekannten Produkten werden es immer schwerer haben, qualifizierte Mitarbeitende zu finden.»
Verbesserungen notwendig
Miolo sieht verschiedene Ansatzpunkte für Verbesserungen: «Im Ausbildungssystem der Schweiz müssen die technischen Berufe gestärkt werden, ältere qualifizierte Arbeitnehmer sollen besser integriert werden und nicht zuletzt muss der Volksentscheid für eine Zuwanderungsbeschränkung so umgesetzt werden, dass der einheimischen Wirtschaft genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen.»
Aktuell fällt die Einschätzung der KMU allerdings deutlich optimistischer aus als direkt nach dem Volksentscheid: Weniger als ein Drittel rechnet damit, dass das ‚Ja‘ zur Masseneinwanderungsinitiative die Suche nach neuen und ausreichend qualifizierten Mitarbeitenden zukünftig erschweren würde; vor einem halben Jahr waren es noch knapp die Hälfte (30 bzw. 47 Prozent).
Über die Umfrage
Die Ergebnisse des aktuellen «KMU-Barometers» der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) basieren auf einer Umfrage unter 700 kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz. Die aktuelle Befragung wurde in der ersten Augusthälfte 2014 vom einem renommierten Forschungsinstitut durchgeführt. Die Studie wird seit 2004 in der Regel halbjährlich in Auftrag gegeben. Befragt werden jeweils Firmenchefs oder Inhaber. Die Zahl der Mitarbeitenden in den befragten Firmen reicht von 30 bis 2000.