Bern – Bundesrat Alain Berset und die Strafverfolgungsbehörden haben sich im Erpressungsfall rund um den Innenminister nichts zu Schulden kommen lassen. Dieses Fazit ziehen die parlamentarischen Untersuchungskommissionen in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht.
Die Geschäftsprüfungskommissionen des National- und des Ständerats (GPK-N/S) entlasten damit die Bundesanwaltschaft (BA), die Bundeskriminalpolizei (BKP) und Innenminister Alain Berset von mehreren in den Medien erhobenen Vorwürfen.
Die Wochenzeitung «Weltwoche» etwa, die im November 2020 die versuchte Erpressung aus dem Jahr 2019 gegen Berset publik machte, hatte den Vorwurf erhoben, die Bundesanwaltschaft habe den Bundesrat bei der Strafverfolgung bevorzugt behandelt. Sie habe etwa die Namen der Beteiligten geheim gehalten. Die Geschäftsprüfungskommissionen haben gemäss eigenen Angaben aber «keinerlei Hinweise» gefunden, dass auf die «Wünsche des Opfers» wegen seiner prominenten Stellung «mehr als üblich» Rücksicht genommen worden ist.
Es sei üblich, dass die Namen von Opfern anonymisiert würden. Die Anonymisierung der Täterin erachten die GPK als «relativ weitgehend». Diesen Entscheid der Bundesanwaltschaft bewerten die GPK aufgrund der Gewaltenteilung nicht, wie sie im Bericht schreiben.
Polizisten holen Frau ab – Sondereinheit bereit
Daneben war der Vorwurf erhoben worden, dass die Bundeskriminalpolizei mit unverhältnismässiger Härte gegen die Frau, die Berset zu erpressen versucht hatte, vorgegangen sei. Die Bundesanwaltschaft hatte gemäss Bericht der BKP den Auftrag erteilt, die Frau zur Befragung bei der Bundesanwaltschaft abzuholen sowie bei ihr zu Hause eine Durchsuchung durchzuführen. Dabei war die Sondereinheit «Tigris» eingesetzt worden, was in Medienberichten als unverhältnismässig kritisiert wurde.
Gemäss dem Bericht war die Frau dabei aber von einer Polizistin und einem Polizisten in Zivil angehalten worden. Die Sondereinheit und weitere Einsatzkräfte hätten sich als Reserve «unsichtbar im Hintergrund» aufgehalten. Diese Sondereinheit werde bei Festnahmen eingesetzt, wenn die Festgenommenen sich selbst, Einsatzkräfte oder Dritte verletzten könnten. Für den Einsatzleiter habe es «einige Unbekannten» gegeben, weswegen er sich für den Einsatz von «Tigris» entschieden habe.
Dass es sich beim Fall um einen Bundesrat gehandelt hat, habe bei der Festlegung des Einsatzes keine Rolle gespielt. Die GPK haben ausserdem keine Hinweise gefunden, dass Berset oder sein Anwalt Einfluss auf das Vorgehen der Polizei genommen haben.
Berset hat Hotel selber bezahlt
Auch gegen Berset waren in den Medien Vorwürfe erhoben worden. Zum einen wurde berichtet, dass er nach einem privaten Wochenende im September 2012 mit der Frau in Freiburg im Breisgau (D) mit seiner Bundesratslimousine samt Chauffeurin nach Bern zurückgereist sei. Das hat Berset den GPK gegenüber bestätigt.
Demnach sei er auf diese Weise zurückgereist, um am Sonntag in Bern zu den Abstimmungen Stellung zu nehmen. Die Fahrt habe so teils privaten, teils dienstlichen Zweck gehabt, weil er so unterwegs habe arbeiten können, so Berset. Gemäss GPK-Bericht war dies mit den geltenden Gesetzen vereinbar und zulässig.
In den Medienberichten war Berset zudem verdächtigt worden, das Hotel zulasten des Bundes bezahlt zu haben. Die Abklärungen haben gemäss GPK aber ergeben, dass Berset die Rechnung selber bezahlt hat.
«Ein paar Stunden» telefoniert und gemailt
Daneben wurde Berset vorgeworfen, er habe später, als die Frau versucht habe, ihn zu erpressen, zur Bewältigung dieser Probleme seine Stabsmitarbeitenden eingesetzt. Berset gab gemäss GPK an, er habe den Generalsekretären und den Leiter Kommunikation informiert.
Gemäss GPK hat der Generalsekretär dafür während dreier Wochen rund 3,75 Stunden für E-Mails und Telefongespräche aufgewendet. Auch der Kommunikationsleiter habe nur «ein paar Stunden» Aufwand gehabt – insbesondere sei es darum gegangen, den Sachverhalt gegenüber Medien zu bestätigen. Ansonsten habe er auf den Anwalt Bersets verwiesen.
Die GPK sieht daher auch hier kein Fehlverhalten. Im Gegenteil wäre es aus Sicht der GPK unverantwortlich gewesen, die Angelegenheit ausschliesslich privat zu betrachten. Ein Bezug zu seinem Amt habe nicht ausgeschlossen werden können. Das zeitliche Engagement des Generalsekretärs und des Kommunikationsleiters seien geringfügig und der Sache angemessen gewesen.
Frau rechtskräftig verurteilt
Die Bundesanwaltschaft hatte die Frau im September 2020 wegen versuchter Erpressung gegen Berset zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Sie hatte versucht, Berset mit privaten Dokumenten zu erpressen. Sie forderte gemäss Strafbefehl zunächst «zur Bezahlung einer ausstehenden Schuld von 100’000 Franken» auf, nahm später aber davon wieder Abstand. (awp/mc/pg)