Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Bern – Nach jahrelangen Verhandlungen soll das im August vereinbarte Steuerabkommen der Schweiz mit Deutschland nochmals überarbeitet werden. Berlin fordert Nachverhandlungen, Bern wehrt sich dagegen. Der Ratifizierungsprozess sei im Gange, sagte Mario Tuor, Sprecher des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF), am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda zu einem Bericht des deutschen Magazins «Der Spiegel». «Aus unserer Sicht besteht kein Bedarf, das unterzeichnete Abkommen abzuändern.» Die Schweiz sei aber im ständigen Gespräch mit der deutschen Seite.
Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums in Berlin erklärte, dass beide Länder wieder auf hoher Arbeitsebene über diese Vereinbarung verhandeln. Hintergrund ist, dass das Mitte-Rechts-Regierungsbündnis von Kanzlerin Angela Merkel sich in der Länderkammer (Bundesrat) eine Mehrheit sichern will. Über diese verfügt die Koalition nicht und so braucht sie Unterstützung von oppositions-geführten Bundesländern. Ohne die Zustimmung des Bundesrates kann die deutsche Regierung das Abkommen, mit dem der über Jahre währende Streit um deutsche Steuerfluchtgelder auf Schweizer Bankkonten beigelegt werden soll, nicht ratifizieren. Es sei offen, wann das Abkommen von der Regierung behandelt werde, sagte der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble weiter. Ziel bleibe, das Abkommen zum 1. Januar 2013 in Kraft zu setzen.
Gespräche mit Bundesländern
Derzeit arbeite die Bundesregierung daran, in Gesprächen auf verschiedensten Ebenen die Bundesländer von dem Abkommen zu überzeugen. «Diese Gespräche finden selbstverständlich auch mit der Schweizer Seite statt», ergänzte der Sprecher. Zum Inhalt wollte er nichts sagen. Er könne den «Spiegel»-Bericht nur in allgemeiner Form bestätigen. Der Fraktionschef der deutschen Grünen, Jürgen Trittin, erklärte: «Dass Schäuble nachverhandeln muss, ist das Eingeständnis, dass er mit seiner Generalamnestie für Steuerflüchtlinge bei Schweizer Banken keine Chance im Bundesrat sieht.»
«Keine hilflosen Nachbesserungen nötig»
Es seien aber keine «hilflosen Nachbesserungen eines bilateralen Ablasshandels für Steuerflucht» nötig. Vielmehr müssten klare europäische Regeln für die Besteuerung von Kapitaleinkommen unter Offenlegung aller Quellen aufgestellt werden. Die deutsche Opposition hat wiederholt kritisiert, dass mit dem Abkommen Steuersünder anonym bleiben können und mit der Vereinbarung gegenüber ehrlichen Steuerzahlern zu billig davonkämen. Zudem sei die Zahl von maximal 999 Auskunftsbegehren während zweier Jahre zu tief und auch Käufe gestohlener Bankdaten sollten weiterhin möglich sein.
Reimann warnt
Maximilian Reimann, SVP-Nationalrat und Präsident der parlamentarischen Delegation Schweiz-Deutschland, sagte auf Anfrage der sda, «Nachverhandlungen sind selbstverständlich denkbar, aber sie sind mit erheblichen Nachteilen für Deutschland verbunden.» Erstens komme der «Steuersegen» für die deutschen Bundeskasse wesentlich später. Und zweitens gewännen grosse deutsche Steuerhinterzieher mehr Zeit, um sich auch physisch von ihrem Heimatstaat abzuwenden und den Wohnsitz ins Ausland zu verlegen.
Das Steuerabkommen war im August von beiden Regierungen nach jahrelangem Ringen paraphiert worden. Schweizer Banken sollen demnach künftig auf Kapitalerträge von Personen mit Wohnsitz in Deutschland eine Abgeltungssteuer von 26% erheben. Altvermögen sollen regularisiert werden. Dazu zahlen die Schweizer Banken einen pauschalen Vorschuss von 2 Mrd CHF. (awp/mc/ps)