Berset-Nachfolge: Wer für die SP im Rennen ist und wer abgesagt hat

Bundespräsident Alain Berset. (Bild: admin.ch)

Bern – Das Kandidierendenkarussell für die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset dreht sich seit dessen Rücktrittsankündigung. Bei den Sozialdemokraten kommen neben den im Dezember 2022 unterlegenen Kandidierenden um die Nachfolge von Simonetta Sommaruga neue Namen ins Spiel:

WIE IST DIE AUSGANGSLAGE?

Die Nachfolgerin oder der Nachfolger für Berset wird bei den Gesamterneuerungswahlen der Landesregierung am 13. Dezember bestimmt, während der Wintersession. Interessierte SP-Mitglieder können bis 29. Oktober eine Kandidatur einreichen. Die SP will für die Wahl von Bersets Nachfolger oder Nachfolgerin eine Auswahl von mehreren Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren. Auf Kriterien verzichtet sie.

Unklar ist derzeit, ob andere Parteien den zweiten SP-Sitz im Bundesrat infrage stellen werden. Die Grünen und auch die GLP liessen nach Bersets Rücktrittsankündigung durchblicken, dass sie einen Angriff nicht ausschliessen. Konkreter dürfte es erst Ende Oktober werden, nach den eidgenössischen Wahlen vom 22. Oktober.

Generell kann erwartet werden, dass wegen der Westschweizer SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider Deutschschweizer Politiker in der Poleposition sind. Nun hat aber auch der ehemalige SP-Fraktionschef Roger Nordmann (VD) seine Ambitionen angemeldet.

WER WILL KANDIDIEREN?

ROGER NORDMANN: Der Waadtländer SP-Nationalrat Roger Nordmann (Jahrgang 1973) gilt als politisches Schwergewicht. Erst im Juni gab er überraschend das Präsidium der SP-Bundeshausfraktion ab, nach acht Jahren im Amt. Anfang Oktober gab er seine Absicht bekannt, für die Nachfolge von Alain Berset zu kandidieren. Nordmann ist der erste Westschweizer im Rennen. Der Lausanner ist seit 2004 Nationalrat. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Energiepolitik. Nordmann sieht sich als Brückenbauer. Seine Kandidatur sei nicht die eines Romands, sondern eine sprachübergreifende und die eines Schweizers, sagte er. Angesichts der dramatischen Zeitenwende brauche es keinen Bundesrat mit regionalen Interessen. Ein dritter Westschweizer in der Landesregierung sei damit durchaus möglich.

JON PULT: Der Bündner Nationalrat Jon Pult (Jahrgang 1984) ist von vielen für die Berset-Nachfolge ins Spiel gebracht worden und hat Anfang Oktober Interesse an Bersets Sitz angemeldet. Er, der sich selbst als dreisprachigen Bündner bezeichnet, ist seit vier Jahren im Nationalrat und gilt als eines der grössten Talente der SP und als guter Rhetoriker. Schon ein Jahr nach seinem Einzug ins Parlament machte ihn die SP zu einem ihrer Vizepräsidenten. Als Regierungsmitglied möchte der bisher jüngste unter den Kandidierenden den Zusammenhalt der Schweiz stärken. Als grösste Herausforderungen nannte er bei der Ankündigung seiner Kandidatur die Reform des Gesundheitswesens, die Klima- und die Europapolitik. Ein Exekutivamt hatte Pult bisher noch nicht inne.

BEAT JANS: Jans (Jahrgang 1964) hat am 22. September an einer Medienkonferenz bekanntgegeben, dass er Bundesrat werden will. Er bewerbe sich mit grosser Motivation und erachte es nicht als selbstverständlich, dass er kandidieren könne. Es wäre für ihn eine «unglaubliche Ehre», an der Geschichte der Schweiz weiterschreiben zu dürfen, sagte Jans. Politbeobachter sehen Jans als einen der Favoriten auf den Regierungsposten. Er amtet seit 2021 als Regierungspräsident und Vorsteher des Präsidialdepartements des Kantons Basel-Stadt. Von 2010 bis 2020 war er Nationalrat. Während seiner Zeit als Bundesparlamentarier war er fünf Jahre lang Vizepräsident der SP Schweiz.

MATTHIAS AEBISCHER: Der Berner Nationalrat Matthias Aebischer (Jahrgang 1967) will Bundesrat werden. Vor den Medien sagte er Mitte September, er sei nach einer Zeit des Nachdenkens im Sommer zum Schluss gekommen, dass er alle Voraussetzungen fürs Bundesratsamt mitbringe. Er traue sich das Amt zu. Er habe einen klaren Gestaltungswillen, sei ein Teamplayer, habe eine gewinnende Art und wolle in wichtigen Fragen tragfähige Lösungen finden, etwa in der Energiepolitik. Sein Umfeld unterstütze ihn. Aebischer politisiert seit bald zwölf Jahren im Nationalrat. Vor seiner Zeit im Bundeshaus war Aebischer unter anderem Moderator verschiedener Sendungen beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und erlangte dadurch in der Deutschschweiz grosse Bekanntheit. Falls Aebischer gewählt würde, wäre der Kanton Bern doppelt in der Landesregierung vertreten.

DANIEL JOSITSCH: Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch (Jahrgang 1965) gab Anfang September seine Kandidatur für den Bundesrat bekannt. Er habe sich die erneute Kandidatur lange überlegt, sagte er in Zürich vor den Medien. Er habe einen «Höllenrespekt» vor dem Amt des Bundesrats. Doch er sei in die Politik gegangen, um mit Willen und Lust die Probleme anzugehen und mitzugestalten. Im vergangenen Jahr schaffte es Jositsch nicht aufs offizielle Ticket seiner Fraktion, weil damals für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga Frauen-Kandidaturen im Vordergrund standen. Trotzdem erhielt Jositsch am Wahltag mehrere Dutzend Stimmen. Schliesslich machte dann die jurassische Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider das Rennen. Für Jositsch als Bundesrat spricht unter anderem seine Erfahrung in Bundesbern und seine urbane Herkunft. Jositsch gilt als Vertreter des rechten Flügels der SP.

WER IST IM GESPRÄCH?

CÉDRIC WERMUTH: Offen ist, ob sich Cédric Wermuth (Jahrgang 1986) als Co-Präsident der SP eine Kandidatur vorstellen könnte. Der Aargauer Nationalrat liess sich bisher nicht in die Karten blicken. Er konzentriere sich auf den bevorstehenden Wahlkampf seiner Partei, sagte er nur. Wermuth brächte zweifelsfrei die Erfahrung und das politische Gewicht mit, um selber zu kandidieren. Er gilt auch als guter Redner und spricht sehr gut Französisch.

MATTEA MEYER: Für die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer (Jahrgang 1987) gilt dasselbe wie für ihren Co-Parteichef Cédric Wermuth: Vor einer möglichen Bundesratskandidatur gelte es, die SP erfolgreich durch den Wahlherbst zu führen. Bei der Sommaruga-Nachfolge im vergangenen Jahr hatte sie mit Verweis auf ihr Parteiamt auf eine Bundesratskandidatur verzichtet. Nach der Rücktrittsankündigung Bersets machte sie keine weiteren Angaben zu ihren persönlichen Ambitionen.

EVI ALLEMANN: Die Berner Regierungsrätin und frühere Nationalrätin Evi Allemann (Jahrgang 1978) hatte sich vergangenes Jahr entschieden, für den freigewordenen Sommaruga-Sitz zu kandidieren. Sie unterlag damals in der internen Ausmarchung Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider. Nach der Rücktrittsankündigung von Berset hat Allemann erneut ihr Interesse am Bundesratsamt angemeldet. Verantwortung als Bundesrätin zu übernehmen, reize sie nach wie vor. Ob sie ins Rennen um einen Bundesratssitz steige, entscheide sie im Herbst, wenn Partei und Fraktion das Anforderungsprofil verabschiedet hätten, liess Allemann verlauten.

TAMARA FUNICIELLO: Die Co-Präsidentin der SP-Frauen, Tamara Funiciello (Jahrgang 1990), erwägt eine Kandidatur als Nachfolgerin von Bundesrat Alain Berset. Es sei eine Tür, die nicht oft aufgehe, und man müsse das prüfen, sagte die Berner Nationalrätin und ehemalige Juso-Präsidentin. Die schweizerisch-italienische Doppelbürgerin will den Entscheid im Sommer treffen. Vor ihrer Zeit als Juso-Präsidentin arbeitete sie als Lagermitarbeiterin, Büro- und Serviceangestellte sowie als Gewerkschaftssekretärin.

FABIAN MOLINA: Eine mögliche Kandidatur prüft laut den Tamedia-Zeitungen auch der Zürcher Nationalrat Fabian Molina (Jahrgang 1990). Der ehemalige Juso-Präsident rückte im März 2018 als Nationalrat nach, nachdem Tim Guldimann überraschend seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte. Bei den Nationalratswahlen 2019 konnte Molina seinen Sitz verteidigen. Molina ist Co-Präsident im Stiftungsrat der Entwicklungsorganisation Swissaid.

WER HAT ABGESAGT?

MUSTAFA ATICI: Der Basler SP-Nationalrat Mustafa Atici (Jahrgang 1969) hatte zunächst noch Interesse an einer Nachfolge von Bundesrat Alain Berset bekundet. Der in der Türkei geborene Unternehmer hätte damit das erste Bundesratsmitglied mit direktem Migrationshintergrund werden können. Allerdings wurden ihm nur minime Wahlchancen eingeräumt. Atici sitzt seit Ende 2019 im Nationalrat. Er gilt als enger Wegbegleiter des Basler Regierungspräsidenten Beat Jans, der als einer der Favoriten für die Nachfolge von Berset ins Rennen um die Berset-Nachfolge geht. Atici zog deshalb seine Kandidatur zugunsten jener von Jans und zugunsten seines Kantons zurück, wie er sagte. Es sei ihm ohnehin weniger um seine Person gegangen als um die Botschaft, dass endlich jene vierzig Prozent der Menschen im Land, die in den vergangenen Jahrzehnten zugewandert seien, auch auf der höchsten politischen Ebene wahrgenommen werden sollten.

EVA HERZOG: Die Basler Ständerätin Eva Herzog (Jahrgang 1961) verzichtet auf eine Kandidatur, wie sie am 20. September im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) mitteilte. Herzog soll im nächsten Jahr das Ständeratspräsidium übernehmen. Dieses sei eine herausfordernde Tätigkeit mit viel Gestaltungsraum, schreibt sie auf X. «Bei einer Wahl möchte ich dort die Interessen unserer Bevölkerung vertreten und besonders der urbanen, offenen Schweiz und der Gleichstellung Sichtbarkeit geben», schrieb sie. Herzog war im Dezember 2022 bei der Sommaruga-Nachfolge als Favoritin gehandelt worden, unterlag aber gegen Elisabeth Baume-Schneider.

PRISKA SEILER GRAF: Die Zürcher Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP des Kantons Zürich, Priska Seiler Graf (Jahrgang 1968), verzichtet aus persönlichen Gründen, wie sie einen Bericht der «SonntagsZeitung» bestätigte. Von 2005 bis 2015 war Seiler Graf Kantonsrätin. 2015 wurde sie in den Nationalrat gewählt. Die dreifache Mutter hatte im Januar 2020 zusammen mit dem Walliser Nationalrat Mathias Reynard erfolglos für das Präsidium der SP Schweiz kandidiert.

FLAVIA WASSERFALLEN: Die Berner Nationalrätin Flavia Wasserfallen (Jahrgang 1979) hatte sich im vergangenen Jahr eine Bundesratskandidatur überlegt, verzichtet aber wie damals nun auch auf das Rennen um die Berset-Nachfolge. Sie hat sich für die Ständeratskampagne entschieden, wo sie den Berner SP-Sitz des abtretenden Hans Stöckli verteidigen will.

NADINE MASSHARDT: Schon bei der Sommaruga-Nachfolge wurde die Berner Nationalrätin Nadine Masshardt (Jahrgang 1984) als mögliche Kandidatin gehandelt, doch sie sagte früh ab. Nach Bersets Rücktrittsankündigung überlegte sich die Präsidentin der Stiftung Konsumentenschutz über den Sommer eine Kandidatur. Das hat sie nun getan: Sie steht nicht zur Verfügung, wie sie auf Anfrage sagte. Sie bestätigte damit einen Bericht von blick.ch. Masshardt wird den Kandidierendenprozess verantworten.

SAMIRA MARTI: Auch die Baselbieter Nationalrätin Samira Marti (Jahrgang 1994) hätte laut Politbeobachtern das Zeug für eine Bundesrätin. Sie hat bereits einen steilen politischen Aufstieg hinter sich und wurde Ende August zusammen mit dem Waadtländer Samuel Bendahan zu Co-Fraktionschefin gewählt. Sie steht als Bundesratskandidatin nicht zur Verfügung. Wie sie dem Nachrichtenportal blick.ch verriet, verantwortet Marti zudem zusammen mit Nadine Masshardt den Kandidierendenprozess.

JEAN-FRANÇOIS STEIERT: Der Freiburger Verkehrsminister Jean-François Steiert (Jahrgang 1961) hat ebenfalls abgesagt. Er sagte der Zeitung «Le Temps», die Westschweiz sei in der Landesregierung bereits stark vertreten. Steiert war von 2007 bis 2017 Nationalrat und hatte angekündigt, sich Gedanken über eine Kandidatur zu machen. Die lateinische Schweiz ist derzeit mit vier Personen im Bundesrat übervertreten. Steiert ist allerdings perfekt zweisprachig. (awp/mc/ps)

Exit mobile version