Bern – Die Schweizer Bevölkerung hält sich an die neuen Corona-Verhaltensregeln – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Das zeigen Analysen in verschiedenen Schweizer Städten. Die Zahl der bestätigten Corona-Fälle stieg auf 7014 an. 60 Personen sind verstorben.
«99 Prozent der Leute haben die Botschaft verstanden», sagte etwa der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause am Sonntag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Seit Freitagabend habe es kaum noch Ansammlungen im öffentlichen Raum gegeben. Natürlich sei das auch eine Folge der kühleren Witterung. Doch es sei offensichtlich, dass sich die allermeisten Menschen die Vorgaben des Bundesrats zu Herzen genommen hätten. Auch an Bushaltestellen und beim Einkaufen sei die Zwei-Meter-Regel konsequent eingehalten worden.
In einigen wenigen Fällen habe die Polizei «mit Nachdruck» dafür sorgen müssen, dass die Regeln eingehalten würden, fügte Nause an. Es seien auch Bussen verteilt worden. Konkrete Zahlen dazu liegen noch keine vor.
140 Meldungen an Kapo Zürich
Insgesamt gingen bei der Kantonspolizei Zürich zwischen Freitagabend und Sonntagnachmittag 140 Meldungen ein. Rund 100 Meldungen betrafen jugendliche Gruppierungen, die sich scheinbar nicht an die Abstandsregeln oder die Höchstanzahl von Personen gehalten hatten. Oft hätten sich diese aber bis zum Eintreffen der Polizei bereits aufgelöst oder die angetroffene Situation habe nicht der Eingangsmeldung entsprochen, teilte die Polizei mit.
Patrouillen der Kantonspolizei seien teilweise zwar auf Gruppen mit mehr als fünf Personen gestossen, sagte eine Sprecherin. Diese hätten sich aber nach Gesprächen mit den Polizisten einsichtig gezeigt und sich wieder aufgelöst. Bussen seien dabei nicht verteilt worden. Insgesamt zog die Kantonspolizei Zürich ein positives Fazit.
Wetterumschwung hat geholfen
Die Luzerner Polizei vermeldete keine ausserordentlichen Ereignisse. Für eine Bilanz wegen Bussen sei es aber noch zu früh, sagte ein Sprecher. Auch er mutmasste, dass der Wetterumschwung geholfen habe, die Massnahmen des Bundes einzuhalten.
Im Kanton Waadt gingen bisher 26 Meldungen wegen Nichteinhaltung der Vorschriften ein. 17 Bussen wurden verteilt, darunter 12 in Lausanne. Die Polizei büsste vor allem Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen in städtischen Parks von Lausanne. Insgesamt würden die Richtlinien von der Bevölkerung aber gut eingehalten, sagte der Lausanner Sicherheitsdirektor Pierre-Antoine Hildbrand. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Genf. Seit Freitagabend hat die Polizei 30 Bussen verteilt. In der Nacht von Samstag auf Sonntag intervenierte sie mehrmals in den Stadtrandgebieten, um Gruppen von Jugendlichen zu vertreiben.
Währenddem sich die Städte weitgehend entleert haben, machen sich Hinweise auf andere Probleme bemerkbar. So stellt Berns Sicherheitsdirektor Nause fest, dass die Fachstelle Häusliche Gewalt mehr Anrufe erhält. Das deckt sich mit Einschätzungen der Genfer Kantonspolizei. Diese stellte fest, dass Einbrüche und Straftaten gegen Personen zwar abnehmen, Einsätze wegen Ehekonflikten und Nachbarschaftsstreitigkeiten dagegen zunehmen.
Tessin schliesst alle Industriebetriebe
Im Kanton Tessin wurden am Samstagabend weitere Massnahmen im Kampf gegen die Verbreitung des Virus bekannt. Die Tessiner Behörden beschlossen, die Aktivitäten auf den Baustellen einzustellen sowie alle Industriebetriebe zu schliessen. Letztere Massnahme gilt vorerst ab Montag bis zum Sonntag 29. März.
Der Branchenverband der Maschinenindustrie Swissmem kritisierte die Schliessung der Industriebetriebe. Laut Swissmem ist die Massnahme eine «Desavouierung des Bundesrates, welcher erst gestern klar gesagt hat, dass die Industrie weiterarbeiten kann, wenn sämtliche Vorsichts- und Schutzmassnahmen des BAG eingehalten werden».
Die Tessiner Behörden raten älteren und gefährdeten Menschen dringend davon ab, selber einkaufen zu gehen. Sie dürfen nur in einigen Fällen zum Arzt gehen oder arbeiten, wie Regierungspräsident Christian Vitta an einer Pressekonferenz in Bellinzona sagte. Die ältere Bevölkerung müsse sich Hilfe von Verwandten holen oder die kommunalen Dienste für die Hauszustellung nutzen.
Fehlendes Personal auf Intensivstationen
Das grösste Problem der Schweiz in der Corona-Krise werden nicht die Anzahl Betten und Beatmungsgeräte sein, sondern fehlendes Pflegepersonal in der Intensivmedizin. Das sagen zwei Ärzte der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI). Die Zahl der Plätze könne mit kreativen Lösungen rasch erhöht werden, sagte Antje Heise, Vizepräsidentin der SGI. Die grosse Frage sei, ob genügend der speziell ausgebildeten Pflegefachpersonen für die Intensivmedizin vorhanden sei.
Die Zahl der Coronavirus-Erkrankungen in der Schweiz stieg über das Wochenende weiter rasant an: Am Sonntagmittag gab es laut Bundesamt für Gesundheit bereits 7014 bestätigte Fälle. 60 Personen sind verstorben. Die Kantone Tessin, Basel-Stadt und Waadt sind am stärksten betroffen. (awp/mc/pg)