Bevölkerung kritisiert Massnahmen des Bundesrats – vertraut ihm aber weiterhin

Bevölkerung kritisiert Massnahmen des Bundesrats – vertraut ihm aber weiterhin
Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. (Screenshot)

Bern – Nach sieben Wochen Corona-Notstand kippt offenbar die Stimmung in der Bevölkerung: Nur noch 15 Prozent der im Auftrag der SRG Befragten bezeichneten die Massnahmen des Bundesrats als gut, und die wirtschaftliche Lage beurteilten erstmals mehr als die Hälfte (57 Prozent) als schlecht bis sehr schlecht.

Eine Wirtschaftskrise (48 Prozent) und der langfristige Verlust der persönlichen Freiheiten (22 Prozent) sind die am stärksten befürchteten Folgen der Coronavirus-Krise. Einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems schätzen hingegen nur 6 Prozent als Risiko ein.

Angst vor Erkrankung sinkt deutlich
Die Angst vor einer Covid-19-Erkrankung ist seit der ersten Befragung am 22. März markant zurückgegangen von 51 auf 34 Prozent. Die Angst vor finanziellen Einbussen hielt sich konstant bei 33 Prozent. Die Angst vor Einsamkeit und Isolation allerdings nahm von 26 auf 32 Prozent zu.

Die für den kommenden Montag (11. Mai) angekündigten Lockerungen begrüsst landesweit gesehen eine Mehrheit – allerdings mit unterschiedlichen Akzenten: Ältere Menschen (über 75 Jahre) befürworten diese am stärksten, junge Menschen weniger deutlich. Nach Sprachregionen aufgeteilt, leben die eifrigsten Befürworter in der Deutschschweiz, weniger eindeutig im französischsprachigen Landesteil, und im Tessin findet gar eine deutliche Mehrheit (62 Prozent) die Lockerung «viel zu überhastet» oder «eher überhastet».

Vertrauen in die Landesregierung
Die Akzeptanz der politischen Massnahmen des Bundesrates hat mit jeder Umfrage abgenommen. So beurteilten zuletzt 23 Prozent der Teilnehmer die Einschränkung der Bewegungsfreiheit als «viel zu weitgehend» oder «zu weitgehend» im Gegensatz zu 10 Prozent, die das genau umgekehrt einstuften, 67 Prozent gaben sich unentschieden.

29 Prozent fanden zudem zuletzt die Schliessung von Geschäften und Dienstleistungen als «viel zu weitgehend» oder «zu weitgehend», während dies nur 10 Prozent gegenteilig beurteilten, 61 Prozent zeigten sich unentschieden. Dennoch gaben 62 Prozent an, grosses oder sehr grosses Vertrauen in den Bundesrat zu haben.

Die Zahl der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) gemeldeten Neuansteckungen mit dem Coronavirus sank denn auch in den vergangenen Tagen markant und verharrte unter 100, während die Zahlen Mitte April noch weit über 300 gelegen hatten. Allerdings sind die Zahlen nicht sehr aussagekräftig, da flächendeckende Test für die ganze Schweiz fehlen und die Dunkelziffer von Experten auf ein Mehrfaches geschätzt wird.

Partei-Meinungen zur Lockerung
Nachdem in den ersten beiden Befragungen für das SRG-Monitoring die Parteiorientierung nur eine untergeordnete Rolle für die Einschätzung der Lockerungen gespielt hat, zeigt sich nun eine zunehmende Politisierung der Corona-Krise, wie das Sotomo-Forschungsteam in seinem am Donnerstag veröffentlichten SRG-Monitoring – «Die Schweiz und die Corona-Krise» – schreibt.

Am einen Pol erachtet demnach exakt die Hälfte der SP-Anhängerschaft das Tempo, das der Bundesrat angeschlagen hat, als zu forsch. Am anderen Pol empfinden 41 Prozent der SVP-Basis das Tempo als zu zögerlich. Zugleich halten es jedoch hier auch 29 Prozent als zu überhastet, womit die SVP-Basis relativ stark gespalten sei in dieser Frage. Da sich die Unterschiede zwischen den Parteien allgemein akzentuierten, scheine sich die Haltung der Sympathisanten zunehmend an den Positionen ihrer Parteien zu orientieren, heisst es im Monitoring.

Die dritte SRG-Befragung wurde am Wochenende vom 3. Mai durch die Forschungsstelle Sotomo unter Leitung des Politgeografen Michael Hermann von der Universität Zürich durchgeführt. Die Datenerhebung im Auftrag der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) erfolgte sechs Wochen nach der ersten Befragung am Wochenende vom 22. März und vier Wochen nach der zweiten vom 5. April. Für die aktuelle Ausgabe des SRG Monitors zur Corona-Pandemie wurden 32’485 Personen aus der gesamten Schweiz befragt. An der ersten Befragungswelle hatten 30’460 Personen teilgenommen, an der zweiten 29’891. (awp/mc/pg)

Schreibe einen Kommentar