Bern – Das Referendum gegen das Zuwanderungsgesetz kommt nicht zu Stande. Somit kann der Bundesrat die vom Parlament beschlossene Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) in Kraft setzen.
Das Gesetz enthält weder die in der Verfassung vorgesehenen Höchstzahlen für Zuwanderer noch einen Inländervorrang. Sie konzentriert sich auf eine Vorzugsbehandlung für Stellensuchende, die bei der Arbeitsvermittlung gemeldet sind.
In Branchen und Regionen mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit müssen Arbeitgeber offene Stellen den Arbeitsämtern melden. Dort stehen die Inserate während einer gewissen Zeit ausschliesslich den gemeldeten Stellensuchenden zur Verfügung.
Die Arbeitsvermittlung stellt den Arbeitgebern zudem die Unterlagen passender Bewerber zu. Diese müssen geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu einem Bewerbungsgespräch oder einer Eignungsabklärung einladen. Das Resultat ist der Arbeitsvermittlung mitzuteilen, muss aber nicht begründet werden.
Weitere Baustellen
Mit der Inkraftsetzung dieser Regeln wird die Masseneinwanderungsinitiative formell abgeschlossen. Die damit verbundene Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien und die Teilnahme der Schweiz an der EU-Forschungszusammenarbeit Horizon 2020 konnten bereits vorab gesichert werden. Trotzdem wird die Europapolitik vorerst nicht zur Ruhe kommen.
Derzeit beim Bundesrat hängig ist die RASA-Initiative, die die Streichung des Zuwanderungsartikels aus der Verfassung verlangt. Die Regierung will dazu einen direkten Gegenentwurf ausarbeiten. Er hat zwei Varianten in die Vernehmlassung geschickt. Die Steuerung der Zuwanderung würde weiterhin in der Verfassung stehen. Der Verfassungstext soll aber der gesetzlichen Realität angenähert werden.
Kein Rückzug
Die Vorschläge sind in der Vernehmlassung nicht gut angekommen. Spätestens am 27. April muss der Bundesrat einen definitiven Entscheid fällen. Angesichts der fehlenden Akzeptanz könnte er den Gegenvorschlag fallen lassen. Mit einem Rückzug der RASA-Initiative ist hingegen nicht zu rechnen.
Die Voraussetzungen dafür seien nicht erfüllt, sagte der Staatsrechtler Andreas Auer vom Initiativkomitee der sda. Dazu zählt er den Erhalt der Bilateralen und die Wiederherstellung der Rechtssicherheit
Wohl sei dieses Gesetz mehr oder weniger EU-konform, doch stehe in der Verfassung weiterhin, dass die Schweiz die Zuwanderung selbständig mittels Kontingenten, Höchstzahlen und Inländervorrang steuern müsse. «Die Rechtssicherheit ist somit nicht gewährleistet», sagte Auer.
Gericht als Knacknuss
Ebenfalls noch in der Schwebe ist das von der EU geforderte institutionelle Rahmenabkommen. Die Verhandlung sind weit fortgeschritten: Die Unterhändler haben sich bereits über Regeln zur die Auslegung und Überwachung der bestehenden Abkommen sowie die Übernahme künftigen EU-Rechts geeinigt.
Noch immer offen ist aber die Frage der Streitbeilegung. Brüssel möchte den Europäischen Gerichtshof als Schlichtungsinstanz, was für die Schweizer Seite nicht in Frage kommt. Offenbar wird nun auch über ein Schiedsgericht diskutiert. Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, welche Folgen eine Vertragsverletzung hätte.
Die EU setzt die Schweiz bei den Verhandlungen unter Druck, indem sie ihr vor Abschluss eines Rahmenabkommens keinen weiteren Marktzugang gewähren will. Zwar soll nun wieder auf technischer Ebene diskutiert werden, wie die beiden Seiten am Donnerstag in Brüssel verkündeten. Politische Fortschritte dürften aber weiterhin von einer Einigung über den institutionellen Rahmen abhängen.
Auf einem anderen Blatt steht die innenpolitische Akzeptanz: Nach aktuellem Stand hat ein Rahmenabkommen an der Urne wenig Aussicht auf Erfolg. In den Zentralen der bürgerlichen Parteien denkt man inzwischen laut über einen Marschhalt nach.
Neue Angriffe
Über allem schwebt die Drohung von SVP und AUNS, eine Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit zu lancieren. Seit Monaten wird am Text gefeilt, die definitive Fassung soll an der AUNS-Mitgliederversammlung am 6. Mai in Bern bekanntgemacht werden.
Als weiterer Stolperstein für das bilaterale Verhältnis könnte sich die Verschärfung des EU-Waffenrechts erweisen. Als Schengen-Staat muss die Schweiz die Regeln übernehmen. Die Schützen laufen bereits Sturm gegen die Vorschriften. Weil bestimmte Waffen verboten werden könnten, ist mit breitem Widerstand gegen ein schärferes Waffenrecht zu rechnen. Im äussersten Fall verliert die Schweiz die Schengen-Assoziierung. (awp/mc/ps)