Bern – Die Schweizer Wirtschaft konnte sich auch im Frühjahr 2013 trotz anhaltender Rezession im Euroraum relativ gut behaupten. Allerdings verläuft die Entwicklung nach wie vor uneinheitlich zwischen robuster Inlandkonjunktur und gedämpften Exporten. Dieses konjunkturelle Muster dürfte sich auch im weiteren Jahresverlauf fortsetzen, bei insgesamt moderater Wachstumsdynamik und weiter leicht steigender Arbeitslosigkeit.Dies teilt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Dienstag aufgrund der Konjunkturprognosen der Expertengruppe des Bundes – Sommer 2013* mit.
Die Expertengruppe behält ihre Einschätzung der letzten Prognose (von März) weitgehend bei und rechnet für 2013 mit einem BIP-Wachstum von 1,4%. Eine breiter abgestützte Konjunkturbelebung, die auch die Exportbereiche sowie den Arbeitsmarkt erfasst, wird für 2014 erwartet (BIP-Prognose +2,1%). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Weltwirtschaft Fahrt aufnimmt und insbesondere der Euroraum aus der Rezession findet, was derzeit noch ein erheblicher Unsicherheitsfaktor ist.
Schwache Euroraum-Konjunktur bremst Weltkonjunktur
Die internationale Konjunktur erholt sich weiterhin nur schleppend. Gebremst durch die Schuldenprobleme in vielen OECD-Ländern, dürfte die weltwirtschaftliche Wachstumsdynamik erst im Verlauf von 2014 spürbar Fahrt aufnehmen. Allerdings präsentiert sich das Bild zwischen den grossen Wirtschaftsräumen sehr uneinheitlich.
Die schwache Euroraum-Konjunktur wirkt weiterhin bremsend auf die Weltkonjunktur. Zwar ist die Schuldenkrise in den letzten Monaten an den Finanzmärkten weiter abgeebbt, was sich etwa in den gesunkenen Risikoprämien für Staatsanleihen der südlichen Peripherieländer widerspiegelt. Trotz dieser Entspannung findet der Euroraum bislang jedoch nicht aus der Rezession. Insbesondere in den südlichen Euro-Ländern ist im Spannungsfeld von finanzpolitischer Austerität, tiefgreifenden Strukturanpassungen und angeschlagenen Bankensektoren noch kein Ende der konjunkturellen Talfahrt in Sicht. Die belastenden Faktoren dürften nur sehr langsam nachlassen. So zeichnet sich etwa bezüglich Budgetkonsolidierung aus Rücksicht auf die schlechte Wirtschaftslage wohl eine gewisse zeitliche Flexibilisierung (sprich mehr Zeit für die Defizitreduktion), aber keine grundsätzliche Abkehr vom Konsolidierungskurs ab. Vor diesem Hintergrund wird davon ausgegangen, dass die Wirtschaft des Euroraums im laufenden Jahr nochmals deutlich schrumpft (Annahme -0,7%) und sich erst 2014 langsam zu erholen beginnt (+0,9%), dies bei weiterhin ausgeprägten Länderdivergenzen zwischen Vorreitern wie zum Beispiel Deutschland, oder Österreich, und Nachzüglern wie Italien, Spanien, aber auch Frankreich.
Erholung in USA gewinnt an Breite
Im Vergleich zu den tiefgreifenden konjunkturellen und strukturellen Problemen des Euroraums präsentieren sich die Konjunkturperspektiven für andere Weltregionen freundlicher. In den USA hat die Wirtschaftserholung nach jahrelanger Durststrecke den Arbeitsmarkt sowie den Bau- und Immobiliensektor erfasst und dadurch an Breite gewonnen. Die forcierte Budgetkonsolidierung, die sowohl Steuererhöhungen als auch lineare Ausgabenkürzungen (sogenanntes „Sequester“) umfasst, erscheint daher konjunkturell verkraftbar und sollte einem langsam voranschreitenden Aufschwung der US-Wirtschaft nicht im Wege stehen. In Japan haben sich die Konjunkturaussichten dank starker wirtschaftspolitischer Impulse aufgehellt. Neben der sehr expansiven Geldpolitik, die zu einer deutlichen Abwertung des Yen geführt hat und so die Exporte ankurbelt, werden neue Konjunkturprogramme aufgegleist, dies allerdings zum Preis einer weiter steigenden Staatsverschuldung. Die Schwellenländer wirken weiterhin als Stütze der Weltkonjunktur, auch wenn ihre gegenwärtige Wachstumsdynamik eher moderat und uneinheitlich nach Ländern verläuft. Während zahlreiche Volkswirtschaften in Asien Fahrt aufzunehmen scheinen, präsentieren sich die Konjunkturdaten in China nur durchwachsen, und Länder wie Brasilien sowie in Osteuropa tun sich schwer damit, aus der konjunkturellen Talsohle zu finden.
Export-Industrie und Tourismus leiden unter hohem Franken
Die Schweizer Wirtschaft behauptet sich vor dem Hintergrund der Rezession im Euroraum nach wie vor relativ gut und konnte im 1. Quartal 2013 ein deutlich positives BIP-Wachstum (+0,6% zum Vorquartal) verbuchen. Allerdings sind weiterhin deutliche Unterschiede zwischen der robusten Inlandkonjunktur und einer gedämpften Exportentwicklung auszumachen. Inlandorientierte Bereiche wie Bau- und Immobilienwirtschaft sowie öffentliche und private Dienstleistungen profitieren von der stetigen Zuwanderung, den tiefen Zinsen und den relativ gesunden Staatsfinanzen (da keine Notwendigkeit für einschneidende Konsolidierungsprogramme wie in anderen Ländern). Exportorientierte Bereiche wie die Industrie, der Tourismus und andere konjunkturempfindliche Sektoren leiden hingegen unter der Rezession im Euroraum sowie den Nachwirkungen der Frankenstärke.
Sieht man von den Schwankungen von Quartal zu Quartal ab, so befindet sich die Schweizer Wirtschaft seit geraumer Zeit (Mitte 2011) in einer Phase verlangsamten Wachstums. Auch der kontinuierliche leichte Anstieg der Arbeitslosigkeit – die (saisonbereinigte) Arbeitslosenquote stieg von 2,7% anfangs 2012 auf 3,2% Ende Mai 2013 – ist ein Beleg, dass die Konjunktur trotz aller Widerstandsfähigkeit nicht ganz ungeschoren vom internationalen Umfeld bleibt.
Aussichten für Exporte bleiben verhalten
Für die kommenden Quartale zeichnet sich keine grundlegende Veränderung der konjunkturellen Situation in der Schweiz ab: Die aktuellen Umfragen bei Firmen und privaten Haushalten zeigen ein gemischtes Stimmungsbild – weder eine akute Verschlechterung noch eine durchgreifende Aufhellung. Vor allem in der Industrie sind die Einschätzungen eher verhalten und durch eine relativ grosse Unsicherheit und entsprechend zurückhaltende Investitionsplanungen geprägt. Die Ausrüstungsinvestitionen dürften sich vorerst weiterhin schwach entwickeln und über das gesamte Jahr betrachtet sogar schrumpfen. Die Aussichten für Exporte bleiben angesichts der hartnäckigen Rezession im Euroraum verhalten**. Immerhin dürfte die Schweizer Exportwirtschaft davon profitieren, dass sich die Konjunkturperspektiven ausserhalb Europas, namentlich für Nordamerika und Asien, vergleichsweise freundlicher präsentieren. Deutlich positive Impulse können demgegenüber vom privaten Konsum und den Bauinvestitionen in der Schweiz erwartet werden.
BIP-Prognose leicht erhöht
Insgesamt rechnet die Expertengruppe für das laufende Jahr 2013 mit einem BIP-Zuwachs von 1,4%, was weitgehend der bisherigen Prognose von März (1,3%) entspricht***. Eine breiter abgestützte Konjunkturbelebung, die auch die Exportbereiche erfasst, wird für nächstes Jahr erwartet, ein stärkerer Rückenwind von der Weltkonjunktur vorausgesetzt. Die bisherige Wachstumsprognose von 2,1% für 2014 wird unverändert beibehalten.
Angesichts der moderaten Konjunkturaussichten dürfte eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage noch einige Zeit auf sich warten lassen. Bei der Beschäftigung zeichnet sich nach wie vor kein Rückgang, jedoch eine gebremste Zunahme ab. Der langsame Anstieg der Arbeitslosenzahlen dürfte sich in den kommenden Monaten noch weiter fortsetzen, ehe im Verlauf des kommenden Jahres mit anziehender Konjunktur eine Trendwende nach unten einsetzen könnte. Im Jahresdurchschnitt rechnet die Expertengruppe (unverändert wie bisher) mit Arbeitslosenquoten von jeweils 3,3% für 2013 und 2014, nach 2,9% in 2012.
Euro-Schuldenkrise bleibt grösstes Konjunkturrisiko
Als grösstes Konjunkturrisiko ist immer noch die Schuldenkrise im Euroraum anzusehen. Trotz der Beruhigung an den Finanzmärkten kann die Krise nicht als bewältigt angesehen werden, weil die südlichen Euro-Länder noch relativ weit von einer durchgreifenden wirtschaftlichen (strukturellen) Verbesserung entfernt sind. Wachsende soziale Spannungen und politische Uneinigkeit könnten die notwendigen Wirtschaftsreformen sowohl in den einzelnen Ländern als auch auf europäischer Ebene (Stichwort ungeklärte Umsetzung der Bankenunion) gefährden, für neue Verunsicherung an den Finanzmärkten – allenfalls mit neuerlichem Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken – sorgen und letztlich die Konjunkturerholung im Euroraum noch weiter verschleppen. Ein weiteres weltwirtschaftliches Risiko betrifft die Schwellenländer, in denen die allgemein erwartete Wachstumsbelebung teilweise nur schwerlich Tritt fasst und noch nicht gesichert ist.
Neben diesen weltwirtschaftlichen Unsicherheitsfaktoren bleibt für die Schweiz ausserdem das „hausgemachte“ Risiko einer Überhitzung an den Immobilienmärkten weiterhin zu beachten. Die Finanzierungskonditionen für Immobilien bleiben, historisch betrachtet, seit längerem sehr günstig, was die Nachfrage weiter anheizen kann. (Seco/mc/ps)
*Die Expertengruppe des Bundes für die Konjunkturprognosen publiziert viermal pro Jahr eine Prognose der konjunkturellen Entwicklung in der Schweiz. Die aktuelle Prognose von Juni 2013 wird in dieser Medienmitteilung kommentiert. Die aktuelle Ausgabe der «Konjunkturtendenzen», eine vierteljährliche Publikation des Seco, integriert diese Prognosen und vertieft weitere Aspekte der gegenwärtigen konjunkturellen Entwicklung. Diese Publikation erscheint in gedruckter Form als Beilage der Februar-, April-, Juli-, und Oktobernummern der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» (www.dievolkswirtschaft.ch). Ausserdem ist sie kostenlos auf dem Internet im PDF-Format verfügbar (http://www.Seco.admin.ch/themen/00374/00375/00381/index.html?lang=de).
** Darüber hinaus wird die Entwicklung der Warenexporte und -importe im Jahr 2013 durch die Anpas-sung der Systematik des Aussenhandels mit Elektrizität ab Januar 2013 beeinflusst. Diese Anpassung reduziert die Veränderungsraten sowohl der Warenexporte als auch der Warenimporte im Jahresdurchschnitt 2013 gleichermassen um jeweils rund einen Prozentpunkt, Auswirkungen auf die Aussenhandelsbilanz sowie das BIP-Wachstum ergeben sich daraus indes nicht.
***Diese leichte Anpassung ist bedingt durch die Integration des (guten) ersten Quartals 2013; die Einschätzung der Konjunkturlage für das laufende Jahr 2013 hat sich jedoch zwischen März und Juni nicht wesentlich verändert.