Blocher widmet sich wieder ganz seinem Kampf gegen die EU
SVP-Nationalrat Christoph Blocher wendet Bern den Rücken zu.
Herrliberg – Christoph Blocher will sich wieder auf sein wichtigstes politisches Projekt konzentrieren: Den Kampf gegen einen EU-Beitritt der Schweiz. Für die parlamentarische Arbeit habe er deswegen keine Zeit, sagte Blocher – und gab seinen Rücktritt aus dem Nationalrat bekannt. Er verschwende im Nationalrat nur seine Zeit, sagte Blocher am Freitag in einer Videobotschaft auf seinem Internetportal «teleblocher». Deshalb werde er per Ende Mai als Zürcher SVP-Nationalrat zurücktreten.
Dies sei aber kein Rückzug aus der Politik, betonte die Leitfigur der SVP: Vielmehr erfordere der Kampf gegen den «schleichenden EU-Beitritt» der Schweiz seine volle Aufmerksamkeit. «Ich führe den Kampf und muss dem alles unterordnen.» Auf das Nationalratsmandat könne er am ehesten verzichten – der Parlamentsbetrieb habe ihn ohnehin stets gelangweilt, sagte er der Nachrichtenagentur sda.
Er schloss aber dennoch nicht aus, wieder für die grosse Kammer zu kandidieren – «wenn es notwendig ist, um einen EU-Beitritt zu verhindern». Sein Mandat als SVP-Vizepräsident will er behalten.
«EU-No»: Neue politische Organisation
Blocher präsentierte am Freitag zugleich eine neue Organisation, mit der er den Kampf gegen einen Schweizer EU-Beitritt führen will. Dem überparteilichen Komitee gegen den schleichenden EU-Beitritt – kurz «EU-No» – hätten sich bereits 50 Organisationen und rund 1000 Personen angeschlossen. Er selber sei der Präsident.
Blocher will sich offensichtlich wieder stärker jenem Projekt verschreiben, welche die Grundlage für seinen politischen Erfolg bildet: Der 73-jährige Unternehmer war 1992 die treibende Kraft der EWR-Gegner. Das Stimmvolk lehnte damals den Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWR) knapp ab. Heute wollten die Verwaltung, der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments die Schweiz in die EU führen, sagte Blocher. Verhindern könne man dies nur mit Volksabstimmungen.
Im Fokus hat Blocher offensichtlich die kommende EU-Abstimmung: Laut Bundespräsident Didier Burkhalter werden die Schweizerinnen und Schweizer voraussichtlich in zwei Jahren über das bilaterale Verhältnis mit der EU abstimmen können.
Rücktritt hat keine gesundheitlichen Gründe
Seine Partei zeigte Verständnis für Blochers Rücktritt. Blocher könne sich nun auf die «wirklich wichtigen Fragen» konzentrieren, sagte Parteipräsident Toni Brunner der sda. Dazu gehörten die «institutionelle Anbindung an die EU, der schleichende EU-Beitritt und die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative». Gesundheitliche Gründe für den Rücktritt des 73-jährigen Blochers schloss Brunner aus: «Im Gegenteil, er ist vital wie noch nie.» Auch Blocher selber erklärte der sda, er fühle sich gesund und voller Energie.
SVP-Bundesrat Ueli Maurer bezeichnete Blochers Rücktritt auch als Chance, dass jemand aus dessen Schatten heraustreten könne. Nachfolger Blochers als Zürcher SVP-Nationalrat wird voraussichtlich der 47-jährige Banker Thomas Matter.
Kritik an der Kritik
Bei Vertretern anderer Parteien kam Blochers Kritik am Parlament nicht gut an: Dies sei despektierlich und wenig respektvoll gegenüber den Parlamentariern, sagte FDP-Präsident Philipp Müller. Nun dürfe Blochers Nachfolger seine Zeit verschwenden, lautete der ironische Kommentar des grünen Zürcher Nationalrats Balthasar Glättli.
Verschiedene Politiker wiesen am Freitag auf die Tatsache hin, dass Blocher bei Abstimmungen im Parlament oft fehlte. Er habe versucht, Wichtigeres zu tun, wenn seine Anwesenheit nicht notwendig gewesen sei, sagte Blocher dazu.
«Kein bisschen weniger unbequem»
Wenig Zweifel herrscht offensichtlich an Blochers politischem Einfluss auch ausserhalb des Parlaments: «Er wird kein bisschen weniger unbequem sein», sagte Philipp Müller. «Blocher braucht den Nationalrat nicht als Bühne», erklärte der Politologe Georg Lutz.
Zweite Amtszeit im Nationalrat
Blocher war bereits von 1979 bis zu seiner Wahl als Bundesrat 2003 Zürcher SVP-Nationalrat. Nach seiner Abwahl aus der Landesregierung Ende 2007 wählten ihn die Zürcherinnen und Zürcher 2011 wieder in die grosse Kammer. (awp/mc/pg)