«Brüssel bekommt den Mittelfinger gezeigt»

Titel-Illustration in bei «Spiegel Online».

Berlin – Europäische Zeitungen kommentieren am Montag das Referendum für eine Begrenzung der Zuwanderung in der Schweiz. Nachfolgend eine gekürzte Zusammenstellung der Pressestimmen:

Frankreich
«L’Alsace»: «Schaut man genau hin, so hat eine Mehrheit der Schweizer laut gesagt, was viele Europäer denken. In der Schweiz wie auch anderswo verbreitet sich ein Überdruss, weil Europa anscheinend nicht in der Lage ist, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und es auch nicht schafft, die Migration zu kontrollieren. Der Zorn der Schweizer ist auf jeden Fall ein sehr schlechtes Zeichen für die globale Gesundheit Europas vier Monate vor den Wahlen zum europäischen Parlament. In der Schweiz und im übrigen Europa geniesst Europa nur noch ein beschränktes Vertrauen.»

«La République des Pyrénées»: «In einem grossen Teil der Schweiz herrscht Bestürzung, in den Städten, in den französischsprachigen Kantonen, aber auch bei den Arbeitgebern, die um die Bedeutung eingewanderter Arbeitskräfte wissen. Diese Arbeitskräfte aus dem Ausland sind ein wesentlicher Faktor des Wirtschaftswachstums der Schweiz, wo es nur 3,5 Prozent Arbeitslosigkeit gibt.»

«La Charente libre»: «Das Ja der Schweizer zur Schliessung ihrer Grenzen steht in einer Linie mit den Abstimmungen der letzten Jahre, mit denen die Ausweisung krimineller Ausländer erlaubt oder der Bau von Minaretten verboten wurde. Diese aktive Minderheit hat Gehör gefunden, im Gegensatz zur Mehrheit im Parlament und zur Wirtschaft.

Italien
«La Stampa»: «Das klassische Drehbuch wird hier wieder neu aufgelegt: Die Unternehmen sind für die Zuwanderung, wie es auch die vernünftigeren Regierungen sind. Ein grosser Teil der Bevölkerung aber, und das nicht nur in der Schweiz, sieht die Einwanderung als eine Bedrohung an und befürchtet einen Haufen Probleme. Der Sieg derer, die die Zuwanderung begrenzen wollen, ist also keine grosse Überraschung.»

«Corriere della Sera»: «Die Schweiz ist mit der EU durch einen Vertrag verbunden und wird das Referendum nicht ohne Verhandlungen mit Brüssel umsetzen können.»

Spanien
«El Mundo»: «Brüssel sollte diplomatische Aktionen in Gang setzen, um diese Schandtat zu stoppen.»

Tschechien
«Lidove Noviny»: «Es geht ein Gespenst um in Europa. Diesmal ist es nicht das Gespenst des Kommunismus, sondern das Gespenst der Zuwanderung. Die einen haben Angst vor einem starken Zufluss von Ausländern, die anderen vor dem Bau von Barrieren. Das gestrige Referendum in der Schweiz hat gezeigt, dass beide Lager fast gleich stark sind.»

Schweden
«Sydsvenskan»: «Die EU kann sich – darf sich diesem Schweizer Chauvinismus mit fremdenfeindlichem Einschlag nicht beugen. Die Union muss klarstellen, dass die Bewegungsfreiheit eine Grundlage der Struktur und Wertegemeinschaft der EU ist. Dass die Schweiz eine strenge Quote nicht nur für Asylsuchende, sondern auch für EU-Bürger einführt und gleichzeitig Vorteile in einer Vereinbarung mit der Union geniesst, wäre schwer verdaulich.»

Belgien
«De Standaard»: «Was immer auch die wirtschaftlichen Folgen seien mögen. Brüssel bekommt den Mittelfinger gezeigt. (…) «Bereit für die Insel» schrieb die Neue Zürcher Zeitung. Das macht deutlich, welcher Illusion die Schweizer nachjagen. Und mit ihnen andere Populisten in Europa. Wenn selbst das Zusammenleben mit gut ausgebildeten Europäern nicht gelingt, dann bleibt nur die strikte Isolation.»

Österreich
«Die Presse»: «Ein wenig hat sich die EU das Abstimmungsergebnis auch selbst zuzuschreiben. (.) Die Kommission erschöpfte sich in vagen Andeutungen – und setzte sich damit schachmatt. Denn die Abstimmung muss sich so für die Eidgenossen, trotz aller Warnungen von Wirtschaft, Gewerkschaft und allen Parteien mit Ausnahme der SVP, ziemlich konsequenzenlos angefühlt haben. Da geht in der Wahlkabine der diffuse Protest gegen die massive Zuwanderung – fast jeder vierte Bewohner hat keinen Schweizer Pass – natürlich leichter von der Hand.» (awp/mc/ps)

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