Bern – Die Schweizer Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2021 deutlich gewachsen. Nach einem coronabedingt schwachen ersten Jahresviertel hat sie damit ab Frühling wieder stark Fahrt aufgenommen. Im internationalen Vergleich ist die Erholung von Corona schon weit fortgeschritten.
Konkret stieg das Bruttoinlandprodukt (BIP) in der Periode von April bis Juni 2021 gegenüber dem Vorquartal um 1,8 Prozent, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Donnerstag mitteilte. Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal fällt der Anstieg mit 7,7 Prozent sogar sehr hoch aus. Die hiesige Konjunktur war bekanntlich im Vergleichsquartal 2020 wegen des ersten Lockdowns stark eingebrochen, was nun zum starken Wachstum im Vorjahrsvergleich beigetragen hat.
«Nichts Überraschendes»
Aufgrund der allmählichen Lockerungen ab Frühling nach Abebben der zweiten Corona-Welle war eine starke Erholung vom Seco, aber auch von Ökonomen so erwartet worden. «Insgesamt haben wir im zweiten Quartal sehr wenig Überraschendes gesehen, sagte Ronald Indergand, Leiter des Ressorts Konjunktur beim Seco, im Gespräch mit AWP. «Es ist zwar viel Bewegung drin, aber alles hat sich mehr oder wenig wie erwartet entwickelt.»
Die Erholung sei dabei von der Industrie auf den Dienstleistungs-Sektor übergegangen. Das Gastgewerbe etwa erholte sich mit einem Plus von fast 50 Prozent gegenüber von den Rückschlägen des Winterhalbjahrs deutlich, da die Betriebe schrittweise wieder öffnen durften und der Inlandtourismus wieder anzog. Der Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung registrierte gar noch ein etwas stärkeres Wachstum.
Das Wachstum kam vor allem vom Konsum her. Der private Konsum etwa legte um 4,1 Prozent, der staatliche Konsum gar um 5,5 Prozent zu. Letzterer habe gar einen neuen Höchststand erreicht, insbesondere getrieben von den für Herr und Frau Schweizer kostenlosen Corona-Tests- und -Impfungen, wie Indergand erklärte. Schliesslich wurden auch die Investitionen nach einem negativen Vorquartal wieder ausgeweitet. Nur leicht wuchsen dagegen die Bauinvestitionen, und auch in der verarbeitenden Industrie normalisierte sich die Dynamik der Vorquartale.
Während etwa das Gastgewerbe oder Freizeitbereich das Vorkrisenstand bei der Wertschöpfung noch lange nicht erreicht haben, lag diese in der Industrie im zweiten Quartal bereits um 4,7 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Auf für die ganze Schweizer Wirtschaft fehlt nicht mehr viel. So lag das BIP im Berichtsquartal gemäss Seco nur noch ein halbes Prozent unter dem Vorkrisenniveau (Q4 2019) und dürfte dieses wohl im laufenden Quartal erreichen.
«Mit einem blauen Auge davon gekommen»
Damit schlägt sich die Schweiz im internationalen Vergleich sehr gut. Wie Zahlen des Seco zeigen, wird das Vorkrisen-Niveau im gesamten Euro-Raum noch um 3,0 Prozent unterschritten, wobei die wichtigsten Länder wie Deutschland (-3,3%), Frankreich (-3,2%), Italien (-3,8%) oder Spanien (-6,8%) gar noch deutlicher zurückliegen.
Da die Lockdowns in diesen Ländern zum Teil deutlich restriktiver gehandhabt wurden, liegen diese Ländern trotz zum Teil höheren Wachstumsraten im zweiten Quartal noch deutlich hinter der Schweiz zurück. Auch Grossbritannien, wo neben dem Lockdown auch noch der Brexit eine Rolle gespielt haben dürfte, liegt mit -4,4 Prozent ebenfalls noch weit unter dem Vorkrisenniveau. Bereits leicht darüber stehen unter den wichtigsten westlichen Industrieländern einzig die USA (+0,8%).
«Die Schweizer Wirtschaft ist mit einem blauen Auge davon gekommen», meinte denn auch Marc Brütsch, Chefökonom der Swiss Life, gegenüber AWP. Und auch CS-Chefökonom Claude Maurer sieht das so. Dank Impffortschritt und Agilität der Wirtschaft sei das Risiko für eine Gesundheitskrise wegen des Virus aktuell zwar weiter gross, nicht mehr aber für eine weitere Wirtschaftskrise, glaubt er. (awp/mc/ps)