Bürgerbewegungen ergreifen Referendum gegen Zuwanderungs-Gesetz

Nenad Stojanovic

Politologe Nenad Stojanovic.

Bern – Das Volk soll über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative abstimmen können. Nicht weniger als vier Bürgerkomitees haben am Dienstag die Referendums-Kampagne lanciert. Den meisten von ihnen geht es nicht um die Zuwanderung, sondern um die Demokratie.

Sie alle beurteilen das vom Parlament beschlossene Umsetzungsgesetz als nicht vereinbar mit der Bundesverfassung. Zunächst hatte der Tessiner Politologe Nenad Stojanovic das Referendum im Alleingang ergriffen. Er ist kein Gegner der Vorlage. Doch er sieht das Vertrauen in die direktdemokratischen Institutionen in Gefahr, wenn sich die Stimmbevölkerung nicht zur Vorlage äussern kann.

Damit überlasse man das Feld den populistischen Parteien, die der Classe politique «Landesverrat» vorwerfen könnten, erklärte er vor den Medien in Bern. Zudem würde das Referendum etwas Klarheit in das Verhältnis zur EU bringen. Dieses sei seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative in einer Sackgasse.

Bei den drei anderen Komitees, die zusammen mit Stojanovic vor den Medien in Bern ihre Beweggründe erläuterten, handelt es sich ebenfalls um Bürgerbewegungen. Hinter einem davon steht die «Bürgerrechtsbewegung Schweiz», die sich vor allem aus Senioren zusammensetzt, hinter einem andern die Zuger Studentin Sandra Bieri.

Es sei demokratiepolitisch höchst bedenklich, dass sich keine Partei dafür einsetze, dass sich die Bevölkerung zur Nichtumsetzung des Verfassungsauftrags äussern könne, sagte sie. Mit dem Referendum will sie ein klares Zeichen «ans Establishment» setzen, dass in wichtigen Fragen das Volk nicht übergangen werden dürfe.

SVP gegen Referendum
Um die Steuerung der Zuwanderung geht es nur dem parteilosen Zuger Kantonsrat Willi Vollenweider, Präsident der armeefreundlichen Gruppe Giardino. In seinem Referat stellte aber auch er demokratiepolitische Bedenken in den Vordergrund.

Unterstützt wird das Referendum von den Schweizer Demokraten. Die SVP hingegen distanziert sich davon. Fraktionschef Adrian Amstutz sprach an der Delegiertenversammlung der Partei von Mitte Januar von einem «nicht demokratischen und hinterhältigen» Vorgehen.

Die SVP hatte sich schon früh auf den Standpunkt gestellt, dass man gegen die Nicht-Umsetzung einer Initiative nicht das Referendum ergreifen könne. Sie arbeitet stattdessen auf eine Kündigung des Freizügigkeitsabkommens hin. Die SVP-nahe Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) hat bereits eine entsprechende Initiative angekündigt.

Umstrittene Umsetzung
Auslöser der politischen Betriebsamkeit ist die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, die das Parlament in der Wintersession beschlossen hat. Die Vorlage sieht weder Höchstzahlen für die Zuwanderung noch einen Inländervorrang vor, wie es die Verfassung verlangt.

Die Mehrheit der Parlamentsmitglieder hatten sich auf den Standpunkt gestellt, die Initiative verlange die Neuverhandlung des Freizügigkeitsabkommens. Was gelte, wenn diese Verhandlungen scheiterten, sagte sie aber nicht. Um die bilateralen Verträge mit der EU nicht zu gefährden, beschloss das Parlament eine Art Vorzugsbehandlung für angemeldete Stellensuchende.

In Berufsgruppen, Tätigkeitsbereichen und Wirtschaftsregionen, in welchen die Arbeitslosigkeit über dem Durchschnitt liegt, müssen Arbeitgeber offene Stellen den Arbeitsämtern melden. Die Arbeitsvermittlung stellt den Arbeitgebern zudem die Unterlagen von passenden Bewerbern zu. Diese müssen geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu einem Bewerbungsgespräch oder einer Eignungsabklärung einladen.

Die Frist für das Referendum gegen diese Vorlage läuft am 7. April 2017 ab. Der Urnengang darüber dürfte am 24. September stattfinden. Auf der politischen Agenda steht auch noch die RASA-Initiative, die die ersatzlose Streichung des Zuwanderungsartikels verlangt. (awp/mc/ps)

Exit mobile version