Bürgerliche wollen Milliarden-Steuereinnahmen im Land behalten
Bern – SVP, Mitte-Partei, FDP, GLP und EVP machen sich einen Monat vor dem Abstimmungstermin gemeinsam für ein Ja zur Umsetzung der OECD-Steuerreform stark. Nur so könne verhindert werden, dass Milliarden-Steuereinnahmen ins Ausland flössen, argumentieren sie.
Am 18. Juni 2023 stimmen Volk und Stände über die für die Umsetzung der Reform notwendige Verfassungsänderung ab. Setzt die Schweiz die OECD-Mindeststeuer nicht um, dürfen andere Staaten die grossen Unternehmen in ihren Ländern nachbesteuern. «Wir würden damit freiwillig substanzielles Steuersubstrat verschenken», sagte die Baselbieter Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter am Donnerstag vor den Medien in Bern.
Gerade in Krisenzeiten sei es wichtig, Stabilität zu garantieren. Bei einem Nein zur raschen Umsetzung der Reform würde die Wettbewerbsfähigkeit geschwächt, so Schneider-Schneiter. «Das dürfen wir nicht zulassen.»
Kompromiss gefunden
Zwar verliere die Schweiz mit der Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung einen wichtigen Standortvorteil, hielt FDP-Politikerin Petra Gössi fest. Die Vorlage garantiere aber, dass Bund und Kantone die Mehreinnahmen in andere Felder investieren könnten, damit die ausländischen Grosskonzerne nicht abwanderten.
Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (SVP/GR), selber Inhaberin des weltweiten Grosskonzerns Ems Chemie, verhehlte nicht, dass die beste Lösung aus ihrer Sicht der Status quo wäre. Die Kantone würden durch die Reform vor grosse Herausforderungen gestellt und verlören einen Teil ihrer Steuerhoheit.
Den im Parlament ausgehandelten Kompromiss, wonach die Mehreinnahmen zu drei Vierteln bei den Kantonen bleiben und ein Viertel an den Bund gehen, könne ihre Partei aber unterstützen. Somit könnten die Kantone «massgeschneiderte Standortverbesserungen» für die grossen Unternehmen in ihrer Region anbieten.
«Es gibt keine bessere Lösung»
Die bürgerliche Allianz warnte vor einem Nein an der Urne. Dies würde bei grossen Konzernen grosse Unsicherheit auslösen, so der Tenor. Mit einer neuen Vorlage könnte die Reform zudem nicht ab 2024 umgesetzt werden, wie Schneider-Schneiter festhielt. «Es gibt keine bessere Lösung als die vorliegende», ergänzte Martullo-Blocher.
Auch Nationalrat Jürg Grossen (GLP/BE) plädierte dafür, in den aktuell turbulenten Zeiten auf «Abenteuer» zu verzichten. Grosse Unternehmen finanzierten wichtige staatliche Aufgaben und Infrastrukturen mit und trügen damit zum Wohlstand bei. «Diese Unternehmen müssen wissen, was auf sie zukommt.»
Mit der Reform müssten praktisch alle finanzstarken Kantone und auch der Bund höhere Einzahlungen in den Finanzausgleich leisten, sagte Grossen weiter. «Damit profitieren schliesslich alle.» Für Nationalrätin Lilian Studer (EVP/AG) ist die Reform «ein Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit». Die Schweiz dürfe nicht abseitsstehen, sondern solle sich solidarisch mit der Staatengemeinschaft zeigen.
Rund 2500 Unternehmen betroffen
Hinter die Vorlage stellen sich auch Bundesrat, Wirtschaftsverbände, Kantone, Städte und Gemeinden. Die Vorlage schaffe stabile Rahmenbedingungen und sichere dem Land Steuereinnahmen und Arbeitsplätze, lautet ihr Tenor.
Mindestens 15 Prozent Steuern auf ihren Gewinnen sollen international tätige Unternehmensgruppen mit über 750 Millionen Euro Umsatz bezahlen. Etwa 200 international tätige Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sowie rund 2000 hier ansässige ausländische Firmen sind von der Mindeststeuer betroffen.
Umsetzen soll die Schweiz die Reform ab 1. Januar 2024, gemeinsam mit 140 Staaten. Eine Verfassungsänderung soll die ungleiche Behandlung der betroffenen multinationalen Unternehmen und den übrigen 99 Prozent der Unternehmen im Land ermöglichen. Gestützt darauf will der Bundesrat die Mindestbesteuerung ab 2024 zunächst mit einer Verordnung und danach mit einem Gesetz umsetzen. (awp/mc/ps)