Bern – Trotz der zweiten Coronawelle und des neuerlichen Lockdowns bestätigen die Ökonomen des Bundes ihre Konjunkturprognose für das laufende Jahr. Sie machen aber einen Vorbehalt wegen der aktuellen Fallzahlen und der Impfkampagne.
Konkret rechnet die Expertengruppe des Bundes für 2021 mit einem Wachstum des realen Bruttoinlandproduktes (BIP) von 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Donnerstag mitteilte. Die Prognose ist somit unverändert zu jener vom letzten Dezember.
Zum Vergleich: Im letzten Jahr ist die Schweizer Wirtschaft wegen der Folgen der Pandemie um 2,9 Prozent geschrumpft. Dies war der grösste Einbruch seit den Siebzigerjahren.
Rückgang von bis zu 2% im ersten Quartal
Die unveränderte Prognose ist laut Eric Scheidegger, Leiter Wirtschaftspolitik beim Seco, die Folge von zwei gegenläufigen Entwicklungen: Das vierte Quartal 2020 sei etwas besser ausgefallen als befürchtet, hingegen gebe es nun im ersten Quartal 2021 negativere Effekte als erwartet durch den Lockdown.
Die Seco-Experten gehen davon aus, dass sich das BIP zum Jahresstart 2021 um 1,5 bis 2,0 Prozent zurückbilden wird. Ein Einbruch in ähnlicher Dimension wie im vergangenen Frühling zeichne sich damit im ersten Quartal bisher nicht ab. Dies signalisieren laut Scheidegger etwa Daten zur Nutzung von Debit- und Kreditkarten.
Zügige Erholung
Danach sei mit einer zügigen Erholung der Binnenwirtschaft zu rechnen, sofern es zu den vom Bundesrat bislang kommunizierten Öffnungsschritten komme, sagte Ronald Indergand, Leiter des Konjunkturressorts beim Seco.
Ein Teil der Bevölkerung habe 2020 erheblich gespart. «Deshalb sollte mit den Lockerungen der Konsum anziehen», so Indergand. Zudem sei zu erwarten, dass die Unternehmen mit dem Fortschreiten der Impfkampagne zuversichtlicher würden und wieder stärker investierten.
Gleichzeitig dürfte laut dem Seco eine anziehende Weltnachfrage die Exportwirtschaft stützen. Dabei würden die USA dank des Konjunkturprogramms des neuen Präsidenten wohl die Rolle einer Wachstumslokomotive spielen.
Tanz zwischen den Szenarien
Die Unsicherheit bleibe jedoch ausserordentlich gross, betonte das Seco. Diese bestünden insbesondere im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. So würde sich die Erholung spürbar verzögern, sollten die Eindämmungsmassnahmen nicht bald aufgehoben werden – zum Beispiel wegen wieder steigender Fallzahlen oder infolge von Verzögerungen beim Impfprogramm.
So sei 2021 bei einer Verzögerung der Öffnungsschritte bis in den Sommer hinein nur mit einem BIP-Wachstum von 1,8 Prozent zu rechnen. Laut Scheidegger wird sich in den nächsten Wochen und Monaten entscheiden, ob dieses Szenario oder das Hauptszenario Realität wird. Auf eine Angabe zur Wahrscheinlichkeit verzichtete er. «Es wird ein Tanz zwischen diesen beiden Szenarien», sagte er nur.
Er betonte ausserdem, dass beim negativeren Szenario das Vorkrisenniveau erst im Verlauf des zweiten Halbjahres erreicht würde und nicht schon zu Beginn des zweiten Semesters.
Zwei Extremvarianten
Daneben gibt es auch zwei Extremszenarien. Sollte sich die epidemiologische Lage etwa wegen Virusmutationen zuspitzen und neue Eindämmungsmassnahmen notwendig machen, sei für 2021 gar nur ein Wachstum von 1,1 Prozent zu erwarten.
Auf der anderen Seite ist es laut dem Seco aber auch möglich, dass sich die Lage deutlich rascher erholt. In einem solchen Positivszenario sei ein Wachstum von 5,4 Prozent im laufenden Jahr möglich. Scheidegger liess allerdings durchblicken, dass er dieses Szenario nicht für sehr wahrscheinlich hält.
Grosse Bandbreite für 2022
Je nach Szenario lautet auch die Prognose für 2022 anders. Im Hauptszenario wird nun das BIP-Wachstum bei 3,5 statt 3,3 Prozent gesehen. Dann soll auch die Arbeitslosenquote auf 3,0 Prozent sinken, nachdem sie im laufenden Jahr bei durchschnittlich 3,3 Prozent gesehen wird.
In den anderen Varianten reicht die Bandbreite der 2022er-Prognose von +2,1 Prozent bis +4,3 Prozent. (awp/mc/ps)