Bern – Die Ökonomen des Bundes erwarten für das kommende Jahr eine deutliche Abschwächung der hiesigen Konjunktur. Eine schwere Rezession sei zwar nicht zu erwarten, aber die Risiken seien sehr gross und klar gegen unten gerichtet.
Für das kommende Jahr 2023 erwartet die Expertengruppe des Bundes eine Abschwächung des Wachstums des realen Bruttoinlandproduktes (BIP) auf 0,7 Prozent von 2,1 Prozent im laufenden Jahr, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Dienstag mitteilte.
Die um Sportevents bereinigten Zahlen – die Schweiz ist bekanntlich Hauptsitz diverser internationaler Sportorganisationen – zeigen eine etwas geglättete Bewegung. Da lauten die Schätzungen auf ein Wachstum von 1,0 Prozent im Jahr 2023 nach 2,0 Prozent in diesem Jahr.
So oder so lässt sich aber sagen: Für 2023 ist ein deutlich unterdurchschnittliches Wachstum zu erwarten. «Die Schweizer Wirtschaft dürfte sich nächstes Jahr schwach entwickeln, ohne aber in eine schwere Rezession zu geraten», sagte Felicitas Kemeny, Leiterin des Ressorts Konjunktur beim Seco, an einer Medienkonferenz. Zwar wäre auch ein Quartal mit negativen Wachstumsraten möglich, aber es sei keine tiefe und spürbare Rezession zu erwarten. Auch im internationalen Vergleich dürfte das Wachstum hierzulande hoch bleiben.
Privater Konsum stützt
Stützend wirke weiterhin vor allem der private Konsum, der von einem weiterhin robusten Arbeitsmarkt profitiere. Die konjunkturelle Abkühlung dürfte sich allerdings auch da zumindest leicht bemerkbar machen. Nach 2,2 Prozent im Jahresdurchschnitt 2022 würde die Arbeitslosenquote 2023 bei 2,3 Prozent zu liegen kommen, heisst es. Etwas dämpfend dürfte sich die anhaltend relativ hohe Inflation auswirken. Nach 2,9 Prozent im Jahr 2022 dürfte die Inflationsrate 2023 bei 2,2 Prozent zu liegen kommen und erst 2024 mit 1,5 Prozent wieder im stabilen Bereich zu liegen kommen, schätzen die Bundesökonomen.
Wie immer hängt der weitere Konjunkturverlauf für ein mit der Aussenwelt stark vernetztes Land wie die Schweiz aber entscheidend vom Gang der Weltwirtschaft ab. Und dieser wiederum sei auch abhängig von der Energieversorgung, so die Seco-Experten. Zwar gehen sie nicht von einer Energiemangellage aus, aber die Situation dürfte angespannt bleiben.
Zusätzlich dürften die international hohe Inflation und die Straffung der Geldpolitik die Nachfrage bremsen. In der Summe geht die Expertengruppe für die kommenden zwei Jahre jedenfalls von einer verhaltenen Entwicklung der Weltnachfrage aus. Erstmals haben die Bundesökonomen in diesem Zusammenhang auch eine Prognose für 2024 gewagt: Dann dürfte das BIP-Wachstum mit +1,6 Prozent auf bereinigter Basis wieder deutlich höher zu liegen kommen.
Hohe Unsicherheiten
Grundsätzlich sind die Konjunkturrisiken angesichts von Ukrainekrieg und den Unsicherheiten in der Energiefrage aber sehr hoch. Die Bundesexperten zählen eine Vielzahl von möglichen Risiken auf. Falls es beispielsweise zu einer länger anhaltenden Kältewälle käme, würden die Gasspeicher bereits in den nächsten Monaten stark beansprucht und es könnte bereits die Energieversorgung für den Winter 2023/24 in den Fokus rücken.
Daneben besteht nach Ansicht der Bundesökonomen auch das Risiko, dass sich die Geldpolitik stärker auf die Realwirtschaft auswirken wird als angenommen – vor allem wenn die Inflation weniger schnell zurückgeht als aktuell erwartet und die Notenbanken mit höheren Zinsen daher gegensteuern müssten. Auch die Risiken von Korrekturen an den Finanzmärkten oder am Immobilienmarkt seien nicht unerheblich. Und nicht zuletzt seien auch Rückschläge bei der Pandemie nicht auszuschliessen.
Die Seco-Experten schätzen in einem Negativszenario einen BIP-Rückgang um 0,3 Prozent. Zwar wäre auch ein positiveres Szenario, etwa dank sinkenden Energiepreisen, möglich. «Die Wahrscheinlichkeit einer negativeren Entwicklung als im Basisszenario angenommen ist aber deutlich grösser», sagte Felicitas Kemeny vom Seco. (awp/mc/ps)