Bundesrätin Sommaruga: «Switzerland first» führt die Schweiz ins Abseits
Zürich – Bundesrätin und Justizministerin Simonetta Sommaruga hat sich gegen die Selbstbestimmungsinitiative gestellt. Vor den Wirtschaftsvertretern der Handelskammer Deutschland Schweiz hat sie um deren Engagement gegen diese Initiative geworben.
«Um eine Mauer um die Schweiz zu bauen brauchen wir keine Ziegelsteine – Stimmzettel genügen», sagte Sommaruga am Donnerstag vor den versammelten Mitgliedern der Handelskammer Deutschland Schweiz. Sie verwies damit auf «das Glück und die Herausforderung», die die direkte Demokratie gleichermassen mit sich bringe.
Dabei fand die Bundesrätin deutliche Worte gegen die Selbstbestimmungsinitiative, die 2018 zur Abstimmung kommen wird, ohne jedoch die Initianten, die SVP, zu erwähnen. Sommarugas Vorwurf: «Abschotter» drückten sich um klare Worte, wenn es um internationale Verträge gehe.
Bundesverfassung über dem Völkerrecht
Die Selbstbestimmungsinitiative stelle die Bundesverfassung über Völkerrecht und entspräche damit dem Prinzip «Switzerland first». Im Konfliktfall zwischen Verfassung und völkerrechtlichem Vertrag würden bei einer Annahme der Initiative nur die Optionen «neu verhandeln» und «kündigen» bestehen.
Dabei heisse es im Initiativtext, der Bundesrat müsse einen Vertrag nur nötigenfalls kündigen. Was aber heisst «nötigenfalls», fragte Sommaruga. Darauf gebe die Initiative keine Antwort. Und: «Der Begriff ist eine Nebelpetarde.» Es würde demnach eine «Scheinlösung» als allgemeine Regel in die Bundesverfassung geschrieben. «Auf Schweizerdeutsch bezeichnet man dies als Wischiwaschi. Doch wir brauchen klare Verhältnisse.»
4000 völkerrechtliche Verträge
Die Initiative schaffe Unsicherheit – «oder verursache auf Bärndütsch es Gschtürm». Jede Initiative, die mit dem Völkerrecht kollidiere werde so zur Kündigungsinitiative, und das in der Schweiz, die rund 4000 völkerrechtliche Verträge vom Umweltschutz bis zum Abbau von Handelsschranken unterschrieben habe.
Wenn also, so ein fiktives Beispiel, das Sommaruga anführte, die Schweizer Uhrenindustrie per Initiative mit Schutzzöllen vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden solle, dann würde dies in der Bundesverfassung verankert. Eine solche Schutzklausel widerspräche jedoch den Regeln der Welthandelsorganisation WTO.
Nach der Selbstbestimmungsinitiative wäre die Schweiz gezwungen die entsprechenden Verträge mit der WTO neu auszuhandeln. Aber: «Das Prinzip Switzerland first gilt nicht an den Verhandlungstischen der WTO», sagte Sommaruga.
Der Bundesrat habe bisher Wege gesucht, den Volkswillen und internationale Verträge gleichermassen zu berücksichtigen. Doch solch pragmatische Lösungen stehen künftig in Frage. Die Verlässlichkeit der Schweiz würde untergraben.
«Damit steht eine Initiative zur Abstimmung, die von allergrösster Bedeutung sein könnte», sagte Sommaruga. Sie stellte sich damit in eine Reihe, beispielsweise mit dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft Economiesuisse, der bereits im letzten April vor der Selbstbestimmungsinitiative gewarnt und das Erfolgsmodell Schweiz in Gefahr gesehen hatte.
Wichtigster Handelspartner Deutschland
In der vergleichsweise kleinen Schweizer Volkswirtschaft hängt jeder zweite Franken direkt oder indirekt am Export. Wichtigster Handelspartner ist dabei Deutschland.
Das Handelsvolumen – Exporte und Importe miteinander verrechnet – lag 2016 bei 88,2 Mrd CHF. Fast 19% der Schweizer Exporte wurden nach Deutschland geliefert. 28% der Schweizer Importe kamen aus dem nördlichen Nachbarland.
Deutschland verzeichnet einen fast doppelt so hohen Anteil am gesamten Aussenhandel der Schweiz wie die USA, die an zweiter Stelle folgen. Dreimal so hoch ist der Anteil im Vergleich zu Italien auf Rang 3. (awp/mc/ps)