Bern – Der Bundesrat hat sich erneut mit der Konzernverantwortungsinitiative befasst, obwohl diese bereits in der parlamentarischen Beratung ist. Er spricht sich gegen Haftungsregeln aus, wie sie im Parlament zur Debatte stehen. Unternehmen sollen bloss Bericht erstatten.
Die Initianten wollen, dass Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden von Tochtergesellschaften im Ausland gerade stehen müssen. Sie fordern Sorgfaltspflichten und Haftungsregeln. Der Bundesrat hat bereits 2017 Position bezogen – und die Initiative ohne Gegenvorschlag abgelehnt. Er setze auf ein international abgestimmtes Vorgehen und rechtlich nicht verbindliche Massnahmen, schrieb er damals.
Auch gegen abgeschwächte Haftung
Im Parlament steht jedoch ein indirekter Gegenvorschlag mit Haftungsregeln zur Diskussion. Am Mittwoch hat der Bundesrat nun bekräftigt, dass er Haftungsregeln ablehnt – auch abgeschwächte, wie es in einer Mitteilung heisst. Justizministerin Karin Keller-Sutter liess sich vom Bundesrat beauftragen, im Parlament für eine Vorlage einzutreten, die keine neuen Haftungsregeln enthält.
Einverstanden ist der Bundesrat mit einer Pflicht für Unternehmen, über Nachhaltigkeit und die Achtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes Bericht zu erstatten. Die Pflicht soll für Unternehmen mit über 500 Mitarbeitenden gelten. Zudem sollen die Unternehmen auf die Berichterstattung über einzelne Belange verzichten können, wenn sie erklären, weshalb sie dies tun.
Regelung gemäss EU-Richtlinie
Diese Lösung würde der in der EU geltenden Regelung entsprechen, heisst es in der Mitteilung des Bundesrates. Sollte der Ständerat in der Herbstsession keinen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative beschliessen, der die Berichterstattungspflicht aufnimmt, will der Bundesrat eine solche Regelung in die Vernehmlassung schicken.
Diese Absicht hatte er bereits in der Botschaft zur Volksinitiative angekündigt. Das Justiz- und Polizeidepartement soll ausserdem prüfen, ob es sinnvoll und nötig ist, in den Bereichen «Kinderarbeit» und «Konfliktmineralien» zusätzlich eine Sorgfaltspflicht einzuführen.
Ständerat am Zug
Der Nationalrat hatte vor über einem Jahr Gesetzesänderungen beschlossen, die als indirekter Gegenvorschlag dienen sollen. Unternehmen sollen haften, wenn Tochtergesellschaften im Ausland Bestimmungen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt verletzen – es sei denn, sie können bestimmte Nachweise erbringen. Gelten soll diese Regelung für Unternehmen ab einer bestimmten Grösse oder mit besonderen Risiken.
Der Ständerat sprach sich dagegen aus, der Nationalrat bekräftigte seinen Entscheid. Nun ist wieder der Ständerat am Zug. Seine Kommission beantragt ihrem Rat mit 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung, auf den Gegenvorschlag einzutreten, wie sie am Mittwoch mitteilte. Mit den Details wird sie sich an der nächsten Sitzung befassen.
Verzicht auf Haftungsregelung?
Bereits jetzt zeichnet sich aber ab, dass die vom Nationalrat beschlossenen Regeln abgeschwächt werden dürften. Die Nationalratskommission hat zur Diskussion gestellt, die Haftungsregelung zu streichen und stattdessen auf die allgemeinen Haftungsbestimmungen des Zivilrechts zu verweisen.
Die Ständeratskommission hatte in der ersten Beratungsrunde eine Subsidiaritätsklausel eingebaut. Die Kläger sollten soweit zumutbar im Ausland gegen die Tochtergesellschaft vorgehen, welche die Menschenrechts- oder Umweltrechtsverletzung begangen hat.
Diskussion auch in anderen Ländern
Die Diskussion über die Haftung für kontrollierte Unternehmen wird auch in anderen Ländern geführt, wie ein Rechtsgutachten im Auftrag der Ständeratskommission zeigt. Die Kommission hatte Fragen zur Geschäftsherrenhaftung gestellt.
Mit dieser haftet der Geschäftsherr unter Umständen für Schäden, die seine Hilfsperson verursacht hat. Die Autoren kommen zum Schluss, dass alle untersuchten europäischen Rechtsordnungen eine spezifische ausservertragliche Haftungsregelung dieser Art kennen.
Keine Entlastung durch Sorgfaltsbeweis
In der Mehrheit der untersuchten Rechtsordnungen stehe dem Geschäftsherrn kein Sorgfaltsbeweis zur Entlastung offen, heisst es. Ausnahmen sind das deutsche und das spanische Recht. Die Verteilung der Beweislast ist in den meisten europäischen Rechtsordnungen strenger geregelt als im vom Nationalrat beschlossenen Gegenentwurf.
In den meisten anderen europäischen Rechtsordnungen ist die allgemeine Bestimmung nach geltendem Recht nicht im Konzernverhältnis anwendbar. In Deutschland und in Österreich wird die entsprechende Haftungsgrundlage unter gewissen Voraussetzungen auch im Konzernverhältnis angewendet.
In vielen Rechtsordnungen wird eine ausservertragliche Haftung für kontrollierte Unternehmen auf der Grundlage der allgemeinen Fahrlässigkeitshaftung mindestens unter gewissen Umständen bejaht, wie es im Gutachten heisst. (awp/mc/pg)