Bundesrat Alain Berset. (Foto: admin.ch)
Bern – Der Bundesrat lehnt die Initiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» ab. Diese stelle wichtige Fragen, gebe aber die falschen Antworten, erklärte Sozialminister Alain Berset am Donnerstag in Bern.
Unbestritten sei das Anliegen der Initiative, der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen. Der Auftrag stehe jedoch bereits in der Verfassung und werde mit dem gut ausgebauten Sozialsystem erfüllt. Dieses könne nicht durch das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt werden. Für viele Bedürfnisse, die heute von den Sozialversicherungen gedeckt würden, reiche das Grundeinkommen nicht.
Nicht finanzierbar
Dessen Höhe wird von der Initiative, die am 5. Juni an die Urne kommt, nicht festgelegt. Als Arbeitshypothese hat sich der Bundesrat aber den Vorschlag der Initianten zu eigen gemacht, dass Erwachsene 2500 Franken pro Monat erhalten sollen und Kinder 625 Franken. Die Kosten dafür würden sich auf 208 Milliarden Franken pro Jahr summieren.
Das ist laut Berset nicht finanzierbar. Ein grosser Teil der Kosten könnte zwar durch die Umverteilung von Erwerbseinkommen und Sozialleistungen gedeckt werden. Doch bliebe ein Fehlbetrag von mindestens 25 Milliarden Franken, der durch Einsparungen oder höhere Steuern gedeckt werden müsste.
Nach Ansicht des Bundesrat wären die Lücke tatsächlich noch grösser, weil die Wirtschaft geschwächt würde. Für Arbeitnehmende mit tiefem Lohn oder Teilzeitbeschäftigte würde sich Erwerbsarbeit nicht mehr lohnen, sagte Berset. Betroffen wären insbesondere Frauen. Dadurch würde die Schweizer Wirtschaft Arbeits- und Fachkräfte verlieren. Produktion und Dienstleistungen würden ins Ausland verlagert, gleichzeitig nähme die Schwarzarbeit zu.
Berset befürchtet zudem, dass das Grundeinkommen den sozialen Zusammenhalt gefährdet. Heute unterstützte das Sozialsystem gezielt jene Menschen, die nicht selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen könnten. Wenn ein Grundeinkommen ohne Beitrag an die Gesellschaft gezahlt werde, könne dies das Gerechtigkeitsempfinden vieler verletzen.
Arbeit als gesellschaftlicher Kitt
Berset wies auf die wichtige gesellschaftliche Funktion von Arbeit hin. Dabei gehe nicht nur um Geld, sondern um Status oder soziale Integration. «Wir leben in einer Gesellschaft, die sich um die Arbeit herum organisiert. Das kann nicht per Dekret geändert werden», sagte Berset. Unbeantwortet ist seiner Meinung nach auch die Frage, wie die Initiative umgesetzt werden soll, wenn nur die Schweiz das Grundeinkommen einführt und die umliegenden Länder nicht.
Der Innenminister widersprach den Initianten, die im Grundeinkommen angesichts von Automatisierung und Digitalisierung eine «humanistische Antwort auf den technologischen Fortschritt» sehen. Eine Gesellschaft müsse sich immer wieder an solche Entwicklungen anpassen, sagte er. «Das bedingungslose Grundeinkommen ist aber keine Antwort auf diese Herausforderung», sagte er.
Alte Idee mit Konjunktur
Urheber der Initiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» ist eine Gruppe von Künstlern, Publizisten und Intellektuellen. Zum Initiativkomitee gehören der Publizist Daniel Straub, der frühere Bundesratssprecher Oswald Sigg oder die Zürcher Rapperin Franziska Schläpfer («Big Zis»).
Ihr Anliegen ist es, den Zusammenhang von Arbeit und Einkommen aufbrechen. Das soll die Arbeit aufwerten, die Motivation der Menschen fördern und ihnen mehr Spielraum und Eigenverantwortung geben. Gleichzeitig geht es den Initianten um einen «Kulturimpuls» und die Diskussion um alternative Arbeits- und Lebensmodelle.
Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ist indes nicht neu. Grundlagen dazu wurden vom mittelalterlichen Autor und Staatsmann Thomas Morus formuliert. Derzeit erlebt die Idee eine Renaissance: 2017 will Finnland Versuche mit einem Grundeinkommen wagen.
Dieses hat auch für Liberale einen gewissen Reiz, falls dadurch das bürokratische Sozialversicherungssystem ersetzt werden könnte. Im Parlament war die Initiative allerdings völlig chancenlos. Bürgerliche Politiker warnten vor dem «Ende der heutigen Schweiz». (awp/mc/upd/ps)