Bern – Mit der Finanzierung von zusätzlichen Impfbussen, einer nationalen Impfwoche und individuellen Gesprächen mit Skeptikern will der Bundesrat die tiefe Impfquote erhöhen. Die Impfung bleibe das beste Mittel für den Ausstieg aus der Krise, begründet er seinen Entscheid.
Gesundheitsminister Alain Berset machte es am Mittwoch vor den Medien in Bern klar: «Der Bundesrat kann die Krise alleine nicht beenden.» Es brauche die Solidarität von allen. Die Solidarität des Bundes mit den Kantonen zeigt sich vor allem in deren Portemonnaie. Die Landesregierung beschloss, den Kantonen für die neue Impfoffensive maximal 96,2 Millionen Franken zur Verfügung zu stellen.
Der ursprünglich geplante 50-Franken-Gutschein für Impf-Überzeuger wird nicht weiterverfolgt. Zahlreiche Kantone lehnten die Idee in der Konsultation ab. Berset gestand ein, dass diese Massnahme sehr unkonventionell gewesen sei. Überrascht worden über deren Ablehnung sei er deshalb nicht.
«Marathon endlich beenden»
Ohne Gutscheine besteht die nun vom Bundesrat beschlossene Impfoffensive aus drei Pfeilern: aus einer nationalen Impfwoche vom 8. bis 14. November, aus einer Aufstockung von mobilen Beratungs- und Impfstellen für einen niederschwelligen Zugang zur Impfung und aus einem neuen Beratungsangebot mit geschulten Personen für individuelle Gespräche.
Dadurch sollen Unentschlossene während mehrerer Wochen informiert und zu einem individuellen und möglichst einem positiven Impfentscheid bewegt werden, wie der Bundesrat schreibt. Ein Wundermittel sei die Strategie nicht, aber: «Wir haben die Möglichkeit, den Marathon nun endlich zu beenden.»
Impfquote nach wie vor zu tief
Für eine Aufhebung der Schutzmassnahmen sei die Impfquote in der Schweiz noch zu tief. «Wir müssen in allen Alterskategorien Fortschritte machen», gab Berset zu bedenken. In keiner Kategorie seien die Zahlen zufriedenstellend. Bei den erwachsenen Personen sind nach aktuellen Angaben des Bundes derzeit gut 71 Prozent vollständig geimpft. Damit die geltenden Massnahmen wie die ausgeweitete Zertifikatspflicht aufgehoben werden könnte, wäre laut dem Bundesrat eine Quote von 80 Prozent bei den 18- bis 65-Jährigen und von 93 Prozent bei den über 65-Jährigen nötig.
Laut dem Gesundheitsminister könnten die Corona-Massnahmen wohl aufgehoben werden, wenn sich noch rund eine Million Menschen in der Schweiz für eine Impfung entscheiden würden. «Dann wären wir auf einem ähnlichen Niveau wie einige Nachbarländer.» Darauf behaften lassen wollte sich Berset aber nicht. «Wir versuchen, Tag für Tag und Woche für Woche zu nehmen.»
Das fehlende verbindliche Ausstiegsszenario wurde von Wirtschaftsverbänden kritisiert. Der Bundesrat müsse eine konkrete Impfquote definieren und nach deren Erreichen alle Einschränkungen aufheben, teilte Economiesuisse mit.
«Es muss machbar sein»
Die Kantone zeigten sich in den vergangenen Tagen bereit, die Impfanstrengungen noch einmal zu intensivieren. Sie wiesen den Bund jedoch am Mittwoch wiederholt darauf hin, dass ihnen die Fachkräfte fehlen. Dieser Mangel lasse sich mit finanzieller Unterstützung durch den Bund nicht einfach beheben, hiess es verschiedentlich.
Die Impfung und die Gesundheitsversorgung sei Aufgabe der Kantone, konterte Berset. Es könne nicht sein, dass der Bund die Kantone mit dem nötigen Personal versorgen müsse. Es sei ihm aber bewusst, dass das Personal eine Herausforderung sei. Kurzfristig könne die Bewältigung der Offensive kompliziert sein. «Aber es muss machbar sein.»
Gleichzeitig zeigte sich Berset etwas ratlos zur verbreiteten Impfskepsis in der Bevölkerung. Für den Bundesrat sei ein Impf-Obligatorium aber nie ein Thema gewesen und werde es auch künftig nicht sein.
Offener zeigte sich Berset bei der Frage, ob die ausgeweitete Zertifikatspflicht noch verhältnismässig sei. «Wir werden diesen Punkt im Bundesrat diskutieren.» Die Lage habe sich zuletzt stark verbessert. Aktuell gebe es aber noch viele Unsicherheiten, welche die epidemiologische Lage wieder verschlechtern könnten. Man müsse etwa auch Faktoren wie den Wintereinbruch und Ferienrückkehrende miteinbeziehen. «Wir müssen vorsichtig bleiben», sagte Berset. (awp/mc/pg)