Bundesrat gegen Abschaffung der Heiratsstrafe und zwei volle AHV-Renten

Bern – Die Volksinitiative der Mitte-Partei zur Abschaffung der Heiratsstrafe ist laut dem Bundesrat der falsche Weg zum Ziel. Er beantragt das Volksbegehren ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung – und verweist auf die laufenden Arbeiten zur Einführung der Individualbesteuerung.
Wie im vergangenen Juni angekündigt, stellt sich die Landesregierung gegen die Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare». Am Freitag hat sie die Botschaft ans Parlament verabschiedet.
Die Räte behandeln mit der Einführung der Individualbesteuerung derzeit ein alternatives Konzept mit dem gleichen Ziel: die steuerliche Diskriminierung der Ehe abzuschaffen. Ob das Geschäft ins Trockene kommt, ist offen. Der Nationalrat sagte knapp Ja, der Ständerat wird am kommenden Montag darüber entscheiden.
Aus Sicht des Bundesrats steht die Initiative der Mitte-Partei im Widerspruch zur Vorlage über die Individualbesteuerung. Die Frage des Besteuerungsmodells solle dem Parlament überlassen und dessen Spielraum durch eine Verfassungsvorgabe nicht unnötig eingeschränkt werden.
Keller-Sutter kritisiert «ideologische Diskussionen»
Der Bundesrat teile das Anliegen, die steuerliche Ungleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren zu beseitigen, sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter in Bern vor den Medien. Über 650’000 Ehepaare seien entweder von einer Heiratsstrafe oder einem Heiratsbonus betroffen.
«Es herrscht Konsens darüber, dass man etwas machen muss, aber Uneinigkeit darüber, wie das geschehen soll», sagte Keller-Sutter. In den vergangenen zwanzig Jahren sei es nicht gelungen, die Heiratsstrafe zu beseitigen, rief Keller-Sutter in Erinnerung.
Ob diese Pattsituation bald aufgelöst werden kann, ist unsicher. Die Diskussionen über die Einführung der Individualbesteuerung würden «sehr ideologisch» geführt, sagte Keller-Sutter. Das verkompliziere die Sache. «Man kann sich offenbar nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen.»
Ein Grund dafür ist laut Keller-Sutter, dass Ungleichbehandlungen in einem progressiven Steuersystem, wie es die Schweiz kennt, kaum eliminiert werden können. «Man kann nicht beides gleichzeitig haben: die Gleichbehandlung von Ein- und Zweiverdienerpaaren und die Gleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren.»
Gegen Volksinitiative für Aufhebung der AHV-Heiratsstrafe
Auch von einer Aufhebung der «AHV-Heiratsstrafe» will die Landesregierung nichts wissen. Verheiratete sollen nach dem Willen des Bundesrates weiterhin nicht zwei volle AHV-Renten erhalten. Er empfiehlt wie schon früher angekündigt ein Nein zur Mitte-Volksinitiative zur Abschaffung der AHV-Heiratsstrafe, und er will auch keinen Gegenvorschlag dazu.
Die Mitte-Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» will die Rentenplafonierung aufheben. Müssten zwei ganze Renten ausbezahlt werden, koste das die AHV 3,6 Milliarden Franken im Jahr 2030, schrieb der Bundesrat am Freitag zur Botschaft.
Später dürften die Kosten noch höher sein. Die Initiative mache keinen Vorschlag, wie diese Kosten gedeckt werden könnten, und der AHV fehlten die Mittel, dafür aufzukommen, kritisiert der Bundesrat. Zur Finanzierung von zwei Renten für Ehepaare müssten die Lohnbeiträge oder die Mehrwertsteuer angehoben werden.
Die AHV solle nach der 13. Rente – sie wird ab 2026 ausbezahlt – nicht noch mehr belastet werden, schreibt der Bundesrat. Nun entscheidet das Parlament. (awp/mc/pg)