Bundesrat hält nichts von Neuauflage der EWR-Debatte
Bern – Der Bundesrat hält nichts davon, die Diskussion über einen Beitritt der Schweiz zum EWR neu zu lancieren. Dies machte Aussenminister Didier Burkhalter am Freitag vor den Medien klar. Er macht sich auf lange Diskussionen mit der EU über den bilateralen Weg gefasst.
Der Bundesrat befasste sich an seiner Sitzung einmal mehr mit den Beziehungen zur EU. Viel Neues kam dabei nicht heraus: Die Weiterentwicklung des bilateralen Weges bleibe seine Priorität, teilte die Regierung anschliessend mit. Aussenminister Didier Burkhalter lud trotzdem zur Medienkonferenz. Es gebe vielleicht nicht viel Neues zu sagen, aber es gebe etwas zu sagen: Der bilaterale Weg sei effizient, und die Schweizer Bevölkerung habe sich für diesen Weg entschieden.
«Man sollte nicht mit dem Feuer spielen»
Burkhalter sprach von einem «helvetischen Konsens», der für den Zusammenhalt im Land äusserst wichtig sei. «Man sollte nicht mit dem Feuer spielen», sagte er mit Blick auf laufende Debatten.
Das Kind beim Namen nennen
Die Diskussion um einen Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) war in den vergangenen Tagen neu aufgekommen. Lanciert hatte sie CVP-Präsident Christophe Darbellay, pünktlich zum 20. Jahrestag der EWR-Abstimmung. Der Königsweg habe sich in eine Sackgasse verwandelt, sagte er. Der Bundesrat suche nach einem Weg zwischen Bilateralen und EU-Beitritt, wage aber nicht, das Kind beim Namen zu nennen. Der Weg sei vielleicht der EWR.
Der Bundesrat sieht dies anders. Er hält laut Burkhalter einen EWR-Beitritt weder für mehrheitsfähig noch für wünschenswert. Der bilaterale Weg ermögliche es der Schweiz, nur jene Teile des EWR-Aquis zu übernehmen, die sie wolle, gab er zu bedenken.
Schweizer immer noch gegen EWR
Auch eine Mehrheit der Bevölkerung folgt Darbellay nicht. 54% schätzen das damalige Abstimmungsresultat in einer Umfrage positiv ein. Nur 23% finden es schlecht, dass die Schweiz gegen den Beitritt zum EWR gestimmt hat, wie eine am Freitag publizierte Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG zeigt. Damit ist die Ablehnung des Vertrags klarer als bei der Abstimmung am 6. Dezember 1992. Damals wurde der Vertrag von 50,3% der Stimmbürger verworfen.
Lange und schwierige Diskussion
Dass Darbellay mit seinem Vorschlag die Dinge verkompliziert hat, glaubt der Aussenminister indes nicht: «Es ist schon jetzt kompliziert», stellte er fest. Die Diskussion mit der EU werde lange und schwierig. Von einer Blockade möchte Burkhalter aber (noch) nicht sprechen. Die Schweiz und die EU führten den Dialog im neuen Jahr weiter, ein Treffen sei für Januar geplant. Für den Bundesrat stelle dies einen «positiven und konkreten Schritt» dar, heisst es in der Mitteilung des Aussendepartements.
Warten auf offizielle Antwort
Im Sommer hatte der Bundesrat der EU Vorschläge für die Weiterentwicklung der Beziehungen unterbreitet. Die offizielle Antwort aus der EU liegt noch nicht vor, sie wird für Dezember erwartet. Bereits durchgesickert ist aber, dass die EU von den Schweizer Vorschlägen alles andere als begeistert ist. Burkhalter bestätigte am Freitag, dass es Kritik gebe. Einige der Vorschläge würden begrüsst. Weit auseinander lägen die Vorstellungen der EU und der Schweiz aber in der Frage, wer die Anwendung der bilateralen Abkommen überwachen solle.
Neue unabhängige Behörde
Der Bundesrat schlägt vor, dass in der Schweiz eine unabhängige, nationale Behörde geschaffen wird, die dafür zuständig wäre, die Anwendung der Abkommen in der Schweiz zu überwachen – so, wie die EU-Kommission dies in der EU tut. Stellt diese Behörde eine Verletzung fest, könnte sie damit ans Bundesgericht gelangen – so, wie die EU-Kommission an den europäischen Gerichtshof gelangen kann.
Der Dienst der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton sieht darin gemäss einem internen Papier keine gute Lösung. Er vermisst zudem einen Vorschlag für einen institutionellen Rahmen mit einem umfassenden Ansatz über alle existierenden und künftigen Abkommen.
Schweizer Position klären
Die EU verlange Offenheit für andere Vorschläge, sagte Burkhalter. Der Bundesrat sei bereit, konstruktiv zu diskutieren. Seit der Bundesrat der EU seine Vorschläge präsentiert hat, fanden zahlreiche Kontakte auf allen Ebenen statt. Diese dienten dazu, den EU-Institutionen und Mitgliedstaaten die Position der Schweiz zu erklären.
Auf Seiten der EU ist der Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, David O’Sullivan, für das Dossier zuständig. Die EU hatte unter anderem eine «dynamische Anpassung» der bilateralen Abkommen an das sich weiter entwickelnde EU-Recht sowie einen Mechanismus zur Streitschlichtung gefordert. (awp/mc/pg)