EVD-Vorsteher Johann Schneider-Ammann.
Bern – Aus Sicht des Bundesrats ist das Niveau des Schweizerfrankens ungewöhnlich hoch. Zudem befinde sich die Währung in einer Überbewertungsphase, heisst es in einem am Mittwoch im Anschluss an die Bundesratssitzung veröffentlichten Communiqué.
Die Ursachen des starken Frankens liegen den Angaben zufolge in der «sehr wettbewerbsfähigen Schweizer Wirtschaft, der erfolgreichen wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik und der stabilitätsorientierten Fiskalpolitik». Dazu komme, dass aufgrund der internationalen Staatsschuldenkrise der Franken von Anlegern vermehrt nachgefragt wird, was den Aufwertungsdruck erhöhe.
Konjunkturlage weiterhin gut
Der Bundesrat ruft in Erinnerung, dass die Konjunkturlage weiterhin gut ist, getragen einerseits durch eine starke Binnenkonjunktur, aber auch durch das starke Wachstum in Deutschland und Asien. Das Wachstum des Bruttoinlandprodukts und auch die Auftragslage sind weiterhin hoch und die Arbeitslosigkeit tief. Jedoch sind in einigen Exportsektoren erste Anzeichen einer Abkühlung zu beobachten und es besteht ein grosser Druck auf die Margen. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass – falls die gegenwärtige Situation anhält – negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft zu spüren sein werden.
SNB verfügt über angemessene Instrumente
Die wirksamsten Mittel zur Bekämpfung der Wechselkursschwankungen liegen nach Ansicht des Bundesrats im Bereich der Geldpolitik. Für sie sei die Schweizerische Nationalbank (SNB) zuständig. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die SNB über angemessene Instrumente verfügt, gemäss ihrem gesetzlichen Auftrag die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen. Er drückt ihr sein volles Vertrauen aus, in der gegenwärtigen Lage die richtigen Massnahmen einzusetzen. Über ihren Wirtschaftsausschuss pflegt die Regierung einen engen und regelmässigen Kontakt mit dem Direktorium der SNB, jedoch liegt die Entscheidung und Verantwortung in der Geld- und Währungspolitik alleine bei der SNB.
Bundesrat ist gegen Symptonbekämpfung
Der Bundesrat lehnt dagegen kategorisch ineffiziente oder kontraproduktive Massnahmen für die Schweizer Wirtschaft ab wie Kapitalverkehrskontrollen, Negativzinsen, temporäre Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotellerie oder Exportindustrie sowie protektionistische Massnahmen beim öffentlichen Beschaffungswesen. Betreffend eine gezielte Senkung des Steuersatzes der Gewinnsteuer für exportorientierte Unternehmen oder direkte Subventionen an die Exportindustrie (wie gespaltene Wechselkurse, Wechselkursabsicherung zu vorteilhaften Konditionen) ist die Regierung der Ansicht, dass die langfristigen negativen Folgen für die Wirtschaft und die Wirtschaftspolitik weit schwerer wiegen als die kurzfristigen Vorteile für die Unternehmer. Daher sind diese Massnahmen ebenfalls abzulehnen.
Bundesrat weiterhin gegen starke Markteingriffe
Die Importeure geben die durch den tiefen Euro-Kurs erzielten Preisvorteile kaum an ihre Kunden in der Schweiz weiter. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung des Volkswirtschaftsdepartements (EVD). Erste Abklärungen zeigten, dass die Importpreise oft nur beschränkt auf günstigere Einkaufsmöglichkeiten im Euroraum reagierten, teilte das EVD am Mittwoch mit. Im internationalen Vergleich gehöre die Schweiz zu den Staaten, in denen Wechselkursschwankungen unterdurchschnittlich weiter gegeben würden.
Grosse Unterschiede zwischen Produktgruppen
Dabei gibt es laut EVD grosse Unterschiede zwischen den Produktgruppen. Weitaus am besten weitergegeben werden die tiefen Einkaufspreise bei Mineralölprodukten, etwa beim Benzin. Am anderen Ende der Skala stehen die Fahrzeugimporteure. Die Preisgestaltung sei eindeutig von der Wechselkursentwicklung abgekoppelt. Die Preise orientierten sich viel mehr an der Kaufkraftentwicklung im Zielland. Ähnlich sieht es auch bei Textilien, Bekleidung, Leder und Schuhen aus. Laut EVD bestätigt der Landesindex der Konsumentenpreise, was die Endkonsumenten fühlen: Die Preise steigen stetig an.
Endkonsumenten profitieren weniger von Einkaufsvorteilen
Besser als die Haushalte stehen die Unternehmen da. Ihnen werden die Einkaufsvorteile im Euroraum eher weitergegeben, insbesondere wenn sie Rohstoffe einkaufen. Dass die Endkonsumenten weniger profitieren, liegt gemäss EVD auch daran, dass nur ein Drittel des Konsumentenpreisindexes auf Importwaren beruht. Abschliessende Aussagen darüber, ob und wie stark die tiefen Einkaufspreise den Endkonsumenten weitergegeben werden, lassen sich indes noch nicht machen. Zuerst müssten noch weitere Einflussfaktoren berücksichtigt werden, etwa die regulierten Preise für Produkte der Pharmaindustrie. Es könne zudem zu verzögerten Reaktionen kommen, so dass in den nächsten Monaten noch mit Preissenkungen zu rechnen sei.
Schneider-Ammann gegen kontraproduktive Massnahmen
Der Bundesrat, der am Mittwoch von Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann über diese erste Zwischenbilanz der letzten Januar eingeleiteten Abklärungen informiert wurde, will trotz der anhaltenden Frankenstärke keine Gegenmassnahmen treffen, die aus seiner Sicht «ineffizient und kontraproduktiv» wären. Dies gilt für den Bundesrat insbesondere für diverse Massnahmen, die in letzter Zeit von linken Parteien, von der Exportwirtschaft und vom Tourismus gefordert wurden, etwa Kapitalverkehrskontrollen, Negativzinsen, eine vorübergehende Senkung des Mehrwertsteuersatzes für die Hotellerie oder die Exportindustrie sowie protektionistische Massnahmen im öffentlichen Beschaffungswesen. Der Bundesrat ist gemäss einer EVD-Mitteilung auch gegen die gezielte Senkung der Gewinnsteuern für exportorientierte Firmen oder Direktsubventionen für die Exportindustrie. (awp/mc/upd/ss)