Finanzministerin Evelyne Widmer-Schlumpf. (Foto: admin.ch)
Bern – Die kantonalen Steuerbehörden sollen bei Verdacht auf Steuerhinterziehung nur dann Bankdaten einsehen dürfen, wenn es sich um schwere Fälle handelt und wenn ein Gericht oder eine andere Instanz sie dazu ermächtigt hat. Dies hat der Bundesrat beschlossen. Er kommt damit den bürgerlichen Parteien entgegen.
Der Bundesrat hat das Finanzdepartement beauftragt, bis Ende 2015 eine Botschaft zur Revision des Steuerstrafrechts in diesem Sinne auszuarbeiten. Er trage damit den Vorbehalten in der Vernehmlassung Rechnung, teilte das Finanzdepartement am Mittwochabend mit. Das Ziel der Reform war ursprünglich, dass sich Steuerhinterzieher nicht länger hinter dem Bankgeheimnis verstecken können. Der Bundesrat wollte Steuerämtern erlauben, in einem Strafverfahren bei konkretem Verdacht auf Steuerhinterziehung von Banken Auskunft zu verlangen.
Damit wäre die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und -betrug bezüglich der Untersuchungsmittel weggefallen. Hintergrund war nicht zuletzt die Kritik der Kantone, die sich gegenüber ausländischen Steuerbehörden benachteiligt fühlen.
Keine automatische Information
Nicht am Bankgeheimnis rütteln wollte der Bundesrat von Beginn weg bei der Veranlagung: Der oder die Steuerpflichtige soll Einkommen und Vermögen nach wie vor selbst deklarieren, eine automatische Information der Behörden durch die Bank soll es nicht geben. Für die meisten Bürgerinnen und Bürger würde sich nichts ändern, betonte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf bei der Präsentation der Vorschläge vor rund einem Jahr. Das Bankgeheimnis sollte aber kein Schutz für Steuerhinterzieher sein.
Widerstand der bürgerlichen Parteien
Während die Linke die Vorschläge als Schritt in die richtige Richtung begrüssten, sahen die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände darin einen Angriff auf das Bankgeheimnis. Das bewährte Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Staat würde zerstört, monierten sie. Steuerämter sollten höchstens in schweren Fällen Einsicht in die Bankdaten erhalten – und nur dann, wenn ein Gericht dies entscheidet. So verlangt es auch eine von bürgerlicher Seite lancierte Volksinitiative zum Schutz des Bankgeheimnisses im Inland.
Diese Forderung will der Bundesrat nun erfüllen. Für die Ermächtigung zum Einblick in Bankdaten soll nicht der Vorsteher der kantonalen Steuerbehörde zuständig sein, sondern eine andere, durch die Kantone zu bestimmende Behörde.
Kein neuer Verbrechensbestand
Verzichten will der Bundesrat ferner darauf, bestimmte Steuerdelikte neu als Verbrechen zu ahnden. Am Plan, Steuerbetrug neu zu definieren, hat er indes festgehalten. Heute liegt dann Steuerbetrug vor, wenn zwecks Steuerhinterziehung falsche oder gefälschte Urkunden verwendet werden, etwa ein manipulierter Lohnausweis. Künftig soll Steuerbetrug nicht mehr ein eigenständiger Straftatbestand sein, sondern eine qualifizierte Form der Steuerhinterziehung. Während Steuerhinterziehung als Übertretung gälte, wäre Steuerbetrug ein Vergehen.
Arglist statt nur Urkundenfälschung
Jede Form der arglistig begangenen Steuerhinterziehung soll künftig als Steuerbetrug gelten, wobei auch die Verwendung falscher Urkunden als arglistiges Vorgehen zählen würde. Steuerbetrügern soll eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe sowie eine Busse drohen, deren Höhe jener entspricht, die für die nicht arglistige Tatbegehung auszusprechen ist.
Für Steuerhinterziehung soll ein fixer oberer Bussenrahmen festgelegt werden, wobei der Rahmen für fahrlässig begangene Hinterziehung tiefer wäre. Werden lediglich Mitwirkungspflichten verletzt, soll die Busse wie bisher maximal 10’000 CHF betragen.
Keine doppelte Bestrafung
Mit der neuen Regelung soll unter anderem verhindert werden, dass jemand für das gleiche Delikt sowohl wegen Steuerhinterziehung als auch wegen Steuerbetrugs bestraft wird. Die Änderung würde ferner dazu führen, dass die Steuerverwaltung auch für die Verfolgung des Steuerbetruges zuständig wäre. Andererseits könnte neu auch bei Steuerhinterziehung eine strafgerichtliche Beurteilung verlangt werden.
Als Verfahrensrecht soll grundsätzlich für alle Steuerstrafverfahren das Verwaltungsstrafrecht gelten. Allerdings hat der Bundesrat dem Finanzdepartement den Auftrag erteilt, dies noch näher zu prüfen. Sprechen wesentliche Gründe für die Strafprozessordnung, so soll für die Steuerstrafverfahren diese gelten.
Heute werden Steuerstrafverfahren zu direkten Steuern nach den Regeln des Veranlagungsverfahrens geführt. Dies erschwere oft die Aufklärung des Sachverhalts, schreibt das EFD. Das Verwaltungsstrafrecht und die Strafprozessordnung stellten wirksame Untersuchungsmittel zur Verfügung, unter anderem die Einvernahme des Beschuldigten, die Befragung von Zeugen und die Durchsuchung von Wohnungen. Die Betroffenen hätten indes neu die Möglichkeit, bereits gegen einzelne Untersuchungshandlungen Rechtsmittel einzulegen. (awp/mc/pg)