Bundesrat lässt sich von hitzigem Wahlkampf nicht beirren
Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. (© World Economic Forum/swiss-image.ch)
Bern – Kaum in der Vernehmlassung werden die Vorschläge des Bundesrates zur Steuerung der Zuwanderung zerzaust. Doch von der etwas höheren «politischen Temperatur» im Wahljahr wollen Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga und der Bundesrat sich nicht beirren lassen.
«Der Bundesrat muss den Weg machen, den er eingeschlagen hat», sagte Sommaruga am Wochenende der «Samstagsrundschau» von Radio SRF. Es gehe Schritt für Schritt weiter bei der Umsetzung der SVP-Zuwanderungsinitiative.
Der Bundesrat werde aber «selbstverständlich schauen, was eine Mehrheit findet und wo noch Korrekturbedarf ist». Der Bundesrat hatte am Mittwoch das Umsetzungsprojekt zur SVP-Zuwanderungsinitiative vorgestellt. Wie angekündigt will er diese mit Kontingenten und einem Inländervorrang umsetzen.
Seine Vorschläge waren von den meisten Parteien scharf kritisiert worden. Die SVP hatte diese als «unbrauchbar», die Grünen als «Black Box» und die CVP als «mutlos» bezeichnet.
Ringen um Bilaterale
Die SP hatte zwar die Massnahmen im Inland scharf kritisiert, die von vielen als «Trick» kritisierte Formel des Bundesrates – Kontingente für EU-Bürger nur mit Zustimmung der EU – aber begrüsst. Gegenüber der «SonntagsZeitung» bezeichnete SP-Präsident Christian Levrat den Vorschlag als «clever». So könne die Initiative umgesetzt werden, «ohne die Personenfreizügigkeit aufzukündigen und ohne die Bilateralen zu gefährden».
Er kritisierte die Reaktionen der Mitteparteien: «Entweder haben sie die Vorlage nicht verstanden oder sie glauben, dass sie Wähler verlieren werden, wenn sie zustimmen.»
Nach den Wahlen würden CVP und FDP auch der Ausnahmeregelung für die EU-Einwanderung zustimmen müssen. Täten sie dies nicht, würden sich FDP und CVP zu den Totengräbern der Bilateralen Verträge mit der EU machen, sagte Levrat im Interview.
SP hält Ball flach
Die SP selbst will das Europa-Thema im Wahljahr aber offenbar auch nicht hoch hängen. In den zehn Forderungen ihrer am Samstag in Parteitag in Martigny VS verabschiedeten Wahlplattform kommen weder die Bilateralen Verträge noch die Zuwanderung vor.
Zwei Anträge, die SP-Position zu Europa in diese Liste aufzunehmen, wurden auf Antrag der Parteileitung von den Delegierten abgelehnt.
Wirtschaft fürchtet Milliardenkosten
Die Gesetzesvorlagen des Bundesrats zur Zuwanderungsinitiative werden auch von Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt kritisiert. Er rechnet damit, dass die zusätzlichen Gesuche für Arbeitskräfte aus Europa jährlich eine bis zwei Milliarden Franken kosten werden, wie er der «NZZ am Sonntag» sagte. Der Bundesrat schätzt dagegen die Zusatzkosten für die Wirtschaft auf 100 Mio CHF.
Weiter kritisierte Vogt den Vorschlag, bei Arbeitergebern eine Abgabe für im Ausland rekrutiertes Personal einzufordern oder die Wirtschaft zur Schaffung von Lehrstellen zu verpflichten, um das Arbeitskräftepotential im Inland besser abzuschöpfen.
Und der bundesrätliche Vorstoss, offene Stellen zunächst dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum RAV zu melden und erst fünf Tage danach auszuschreiben, bringe vermutlich wenig, sagte Vogt.
Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann hatte am Mittwoch weitere Reformen angekündigt. Doch vor allem die Linke hatte diese als ungenügend kritisiert.
Dem Bundesrat ist bewusst, dass er mehr tun muss, um mehr Schweizer Personal zu rekrutieren, wie Sommaruga dem «SonntagsBlick» sagte. Deshalb habe er «das Volkswirtschaftsdepartement beauftragt, bis Mitte Jahr weitere Vorschläge zu machen». Konkret gehe es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie um die Integration älterer Arbeitnehmer. (awp/mc/ps)