Bern – Der Bundesrat ergreift angesichts des drohenden Energiemangels im Winter weitere Massnahmen. Zum einen startete er am Mittwoch eine Kampagne, um die Bevölkerung zum Strom- und Gassparen zu bewegen. Zum anderen konkretisierte er das mögliche Vorgehen, sollte Gas knapp werden.
Mit einfachen Tipps will die Landesregierung die Bevölkerung zum freiwilligen Energiesparen bringen.
Die Kampagne steht unter dem Motto «Energie ist knapp. Verschwenden wir sie nicht.». Der Bund führt sie zusammen mit Kantonen und Wirtschaft durch. Über 40 Partner machen mit. Ziel ist es, dass so viele Privathaushalte und Firmen die Massnahmen freiwillig umsetzen, dass es gar nicht erst zu einem Energiemangel kommt.
«Ich bin überzeugt, gemeinsam können wir viel erreichen», sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga am Mittwoch an einer Medienkonferenz in Bern. Wie viel mit den freiwilligen Sparmassnahmen genau eingespart werden kann, ist noch nicht klar. An der Medienkonferenz wurde ein möglicher Spareffekt von 8 bis 18 Prozent genannt.
Die meisten Empfehlungen dürften bekannt sein, hiess es weiter. Dazu gehören das Absenken der Heiztemperatur, geringerer Warmwasserverbrauch, das Abschalten elektrischer Geräte oder der Beleuchtung sowie das energiesparende Kochen und Backen.
Die Kampagne visualisiert die Tipps mit Wärmebildern, die zeigen, wie rasch Energie verpuffen kann. Zugänglich sein werden die Informationen auf der Internetseite «nicht-verschwenden.ch», auf Plakaten, in Inseraten und auf den Social-Media-Kanälen des Bundes.
Heizen nur noch auf 19 Grad
Zunächst setzt die Landesregierung auf Freiwilligkeit. Welche Massnahmen angedacht sind, sollten dies nicht ausreichen, hat sie am Mittwoch dennoch konkretisiert – jedenfalls, was das Gas angeht. Der Bundesrat schickte am Mittwoch zwei Verordnungen in die Vernehmlassung.
Dabei geht es einerseits um das Verbot, Gas für bestimmte Zwecke zu verwenden. Der entsprechende Verordnungsentwurf sieht vor, dass im Bedarfsfall die Verwendung von Gas zum Heizen ungenutzter Gebäude, von Schwimmbädern, Wellness-Anlagen oder Saunen verboten werden könnte. Untersagt werden könnte etwa auch der Betrieb von Heizstrahlern oder das Heizen von Zelten.
Ermöglicht würde dadurch andererseits auch, die Temperatur, auf die Innenräume mit Gas beheizt werden dürfen, auf 19 Grad zu beschränken. Wasser dürfte mit Gasboilern je nach Lage auf höchstens 60 Grad erwärmt werden.
Der andere Verordnungsentwurf legt zum einen fest, wie Kontingente berechnet würden. Zudem führt er den Begriff der «geschützten Kunden» ein: Haushalte und grundlegende soziale Dienste wie Spitäler, Alters- und Pflegeheime, Polizei und Feuerwehr, aber auch Wasser- und Energieversorger wären nicht betroffen.
Die von einer Kontingentierung betroffenen Unternehmen hätten die Möglichkeit, nicht genutzte Kontingente über einen Pool miteinander zu handeln.
Kein Härtefallprogramm geplant
Auf die Frage, wer die Einhaltung der Maximaltemperaturen kontrollieren würde, antwortete Wirtschaftsminister Guy Parmelin an der zweiten Medienkonferenz des Tages im Bundeshaus, das sei Kantonssache. Die Schweiz sei aber kein Polizeistaat und die Kontrollen dürften sich im Rahmen der Verhältnismässigkeit bewegen.
Eine Unterstützung der Wirtschaft drängt sich für den Bundesrat angesichts der explodierenden Energiepreise nicht auf. Wie Parmelin vor den Medien sagte, ist die Härtefalllage nicht mit jener in der Covid-19-Pandemie vergleichbar.
Zudem sollten die bestehenden Instrumente wie die Kurzarbeitsregelung ausreichen. Für neue Instrumente fehle die Grundlage. Beim Strom sei ein Wechsel von Unternehmen vom liberalisierten in den reglementierten Bereich nicht vorgesehen, sagte er zu einer Forderung des Schweizerischen Gewerbeverbands.
Eine Aussprache führte der Bundesrat auf zu den Auswirkungen der gestiegenen Energiepreise auf die Bevölkerung. Er sieht keinen Bedarf für sofortige Massnahmen zur Abfederung der Inflation. Derzeitige Prognosen gingen davon aus, dass die Inflation im kommenden Jahr wieder sinken werde, hiess es in einer Mitteilung. Die bisherigen Preissteigerungen für die Haushalte seien verkraftbar. Eine weitere Beurteilung wird der Bundesrat im Herbst vornehmen. (awp/mc/ps)