Justizministerin Simonetta Sommaruga. (Foto: admin.ch)
Bern – Der Bundesrat hat sich gegen die Volkswahl des Bundesrats ausgesprochen und empfiehlt den Stimmbürgern, die Initiative, die am 9. Juni 2013 vors Volk kommt, abzulehnen. Der Bundesrat ist überzeugt, dass eine Volkswahl des Bunderates die Demokratie nicht stärken, sondern ihr einen schlechten Dienst erweisen würde. Die Stimmberechtigten wären zwar in der Lage, gute Bundesrätinnen und Bundesräte zu wählen. Aber die Volkswahl würde das kollegiale Regieren im Bundesrat erschweren und hätte weitere negative Folgen für das politische System, erläuterten Bundesrätin Simonetta Sommaruga und Ständeratspräsident Filippo Lombardi die Haltung der Landesregierung.
Die Initiative würde die Mitglieder des Bundesrates in einen Dauerwahlkampf treiben: Sie müssten sich neben ihrer eigentlichen Regierungstätigkeit ständig darum bemühen, ihre Wiederwahl zu sichern. Anders als die Mitglieder der Kantonsregierungen, die heute schon vom Volk gewählt werden, müssten die Mitglieder der Landesregierung Zeit und Energie in landesweite Imagekampagnen und Wahlkampfauftritte stecken – in 26 Kantonen mit vier Sprachen und unterschiedlichen Kulturen. Diese Zeit und Energie fehlen dann für Sachpolitik, politische Führungsarbeit und die parteiübergreifende Suche nach Lösungen. Unter einem solchen Ringen um Popularität leide schliesslich auch die Zusammenarbeit im Regierungskollegium, schreibt das EJPD in einer Medienmitteilung.
Die eigene Beliebtheit im Fokus
Mit der Volkswahl, so Bundesrätin Sommaruga, «würde der Druck auf die Mitglieder des Bundesrats zunehmen, sich zu profilieren und stärker als bisher auf die eigene Beliebtheit zu schielen.» Dies könnte dazu führen, dass die Mitglieder des Bundesrates ihre Vorlagen unter Umständen nicht mehr in erster Linie danach beurteilen, ob sie für das Land gut sind oder nicht, sondern danach, «ob das Geschäft jetzt die Chancen auf Wiederwahl erhöht oder eben mindert».
Abhängigkeit von starken Gruppierungen
Aber nicht nur der zeitliche Aufwand für einen landesweiten Wahlkampf und für Imagekampagnen wäre gross, auch der finanzielle Aufwand dafür ist nicht zu unterschätzen. Stärker als heute wären neue und bisherige Kandidatinnen und Kandidaten für die Landesregierung von den nationalen Parteien, von reichen Einzelpersonen, von Unternehmen oder von Lobbyorganisationen abhängig, die fähig sind, einen Wahlkampf im ganzen Land zu führen und zu finanzieren. Die Bedeutung der Kantonalparteien und auch die Verwurzelung der Regierungsmitglieder in ihrer Region dürften gegenüber dem heutigen System abnehmen.
Schwächung des Parlaments
Ständeratspräsident Lombardi führte aus, die Wahl des Bundesrates – und danach die Aufsicht über seine Tätigkeit – sei eine zentrale Aufgabe des Parlaments. Bei einer Annahme der Initiative würde es geschwächt, weil es diese Aufgabe verlöre. Damit würde das Parlament an Einfluss verlieren. Das eingespielte Verhältnis zwischen den politischen Gewalten könnte also aus dem Gleichgewicht geraten, die Zusammenarbeit zwischen Bundesrat und Parlament schwieriger werden.
Quotenregelung problematisch
Die Initiative sieht eine Quote für die französisch- und die italienischsprachigen Gebiete der Schweiz vor, nicht aber für die rätoromanischen. Zur Umsetzung dieser Quote müssten die französisch- und die italienischsprachigen Gebiete der mehrsprachigen Kantone klar abgegrenzt und die Menschen in den gemischtsprachigen Regionen oder Städten auseinanderdividiert werden. Zudem würden die französisch- und die italienischsprachigen Gebiete in ein- und denselben Topf geworfen, aus dem dann zwei der sieben Sitze im Bundesrat besetzt würden. Bei diesem Verfahren hätten es Kandidierende der italienischsprachigen Minderheit schwer, sich gegen Kandidierende aus der Romandie durchzusetzen, zählt diese doch viermal mehr Stimmberechtigte als die italienischsprachigen Gebiete.
Stabilität nicht gefährden
Heute wählt das Volk das Parlament, und diese Vertreterinnen und Vertreter des Volkes wählen dann die Mitglieder des Bundesrates. Dieses Verfahren gilt seit der Gründung unseres Bundesstaates vor über 160 Jahren und wurde mehrfach in demokratischen Entscheidungen bestätigt. Von einem Mangel an Demokratie oder mangelnder Mitsprache der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger könne also nicht gesprochen werden, hält die Landesregierung fest.
Auch seien bisher die französische und die italienische Sprachminderheit im Bundesrat meist gut vertreten gewesen. Im Vergleich zu anderen Ländern zeichne sich die Schweizer Regierung zudem durch grosse Stabilität aus, was einer der Gründe für das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und Mentalitäten, den inneren Zusammenhalt und die Prosperität des Landes sei. Es wäre deshalb falsch, das eingespielte Wahlverfahren für den Bundesrat einzutauschen gegen ein neues mit unabsehbaren Auswirkungen auf das Funktionieren unseres politischen Systems, wird in der Mitteilung abschliessend festgehalten. (EJPD/mc/pg)