Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. (Foto: admin.ch)
Bern – Bei der Verrechnungssteuer sollen Personen in der Schweiz künftig die Wahl haben: Entweder wählen sie den Steuerabzug mit Rückerstattung, oder die Bank meldet die Vermögenswerte und den Ertrag der Steuerverwaltung – ein freiwilliger Verzicht auf das Bankgeheimnis. Dies schlägt der Bundesrat vor.
Die Reform sei insbesondere im Zusammenhang mit dem geplanten automatischen Informationsaustausch wichtig, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Mittwoch vor den Medien. Zum einen soll mit der Reform die Kapitalaufnahme im Inland erleichtert werden. Zum anderen soll das neue System besser gegen Steuerhinterziehung wirken.
Heute wird die Verrechnungssteuer auf Zinsen, Beteiligungserträgen, Lotteriegewinnen und bestimmten Versicherungsleistungen erhoben. Sie sichert die Besteuerung inländischer Erträge, weil die bezahlte Verrechnungssteuer nur zurückerstattet wird, wenn die entsprechenden Erträge in der Steuererklärung deklariert werden.
Bank überweist Betrag an die Steuerverwaltung
Die Steuer wird heute nach dem Schuldnerprinzip erhoben: Der Schuldner – beispielsweise die Gesellschaft, die Obligationen ausgibt – überweist dem Begünstigten den um den Steuerbetrag gekürzten Zinsertrag. Den Steuerabzug von 35 Prozent überweist er der Steuerverwaltung. Der Bundesrat will nun zum Zahlstellenprinzip wechseln. Der Schuldner überweist den gesamten Ertrag der Bank. Diese entscheidet, ob eine Verrechnungssteuer zu erheben ist, kürzt allenfalls den Betrag an den Begünstigten und überweist die Steuer der Steuerverwaltung.
Ausweichen über das Ausland
Zu den Nachteilen des heutigen Systems gehört, dass Schweizer Konzerne der Steuer häufig ausweichen, indem sie ihre Finanzierungen über ausländische Gesellschaften abwickeln. Dadurch fällt die Wertschöpfung im Ausland an. Ausserdem vermag die Verrechnungssteuer die Deklaration von ausländischen Erträgen nicht zu sichern.
Der Systemwechsel birgt jedoch das Risiko, dass Personen mit Wohnsitz in der Schweiz die Steuer vermeiden, indem sie ihre Vermögenswerte zu einer ausländischen Bank verlegen. Dies funktioniert allerdings nur, so lange der geplante automatische Informationsaustausch nicht eingeführt ist.
Mit automatischem Informationsaustausch
Bedingung für den Systemwechsel ist deshalb die Einführung des automatischen Informationsaustauschs: Die Reform soll erst in Kraft gesetzt werden, wenn dieser mit wichtigen Finanzplätzen etabliert ist. Umgekehrt soll die Verrechnungssteuerreform negative Folgen des automatischen Informationsaustauschs für den Schweizer Finanzplatz verhindern.
Im Inland soll es keinen solchen Automatismus geben. Personen mit Wohnsitz in der Schweiz sollen die Bank aber anweisen können, anstelle des Steuerabzugs der Steuerverwaltung den Ertrag und den Vermögenswert zu melden. Sie würden damit freiwillig auf einen Teil des Bankgeheimnisses verzichten.
Widmer-Schlumpf sprach von einer «Alternative zu Gunsten der Steuerpflichtigen». Bei höheren Zinsen könne es interessant sein, nicht ein Jahr auf die Rückerstattung der Verrechnungssteuer warten zu müssen. Dies gilt indes nur für «steuerehrliche Personen», wie es im Vernehmlassungsbericht heisst.
Finanzielle Folgen offen
Die finanziellen Folgen der Reform hängen nicht zuletzt davon ab, ob viele Steuerpflichtige von der Meldeoption Gebrauch machen. Die Verrechnungssteuer ist mit jährlich rund 5 Milliarden Franken eine wichtige Einnahmequelle des Bundes. Der Bundesrat schätzt, dass sich Mindereinnahmen im Umfang von rund 200 Millionen Franken ergäben.
Allerdings würde die Beseitigung der Hindernisse im Kapitalmarkt mittelfristig Arbeitsplätze schaffen und zur Wertschöpfung beitragen. Dies führe zu Mehreinnahmen bei der Einkommenssteuer und der Gewinnsteuer.
Weitere Mehreinnahmen ergäben sich aus der Erfassung bisher unversteuerter Vermögenswerte von inländischen Personen. Insgesamt dürften die Mehreinnahmen die Mindereinnahmen aufwiegen, schreibt der Bundesrat.
Ausweitung und Einschränkung
Im Zahlstellenprinzip werden neben Erträgen von inländischen auch solche von ausländischen Schuldnern erfasst, falls der Ertrag über eine Bank in der Schweiz fliesst. Damit wird die Steuer gegenüber geltendem Recht ausgeweitet. Gleichzeitig wird sie aber eingeschränkt, da Titel nur noch dann der Verrechnungssteuer unterliegen, wenn sie über eine inländische Zahlstelle vereinnahmt werden.
Grundsätzlich wird dann besteuert, wenn der Ertrag an eine natürliche Person mit Wohnsitz in der Schweiz ausgerichtet wird. Bei Pensionskassen oder ausländischen Investoren wird auf die Steuererhebung verzichtet. Damit werde die gewünschte Stärkung des Kapitalmarktes Schweiz erreicht, hält der Bundesrat fest. Namentlich werde die Emission von Pflichtwandelanleihen erleichtert.
Keine Änderung bei Dividenden
Keine Änderung ist bei Dividenden von inländischen Unternehmen vorgesehen. Diese sollen weiterhin nach dem Schuldnerprinzip besteuert werden. Hier bestehe weder aus Sicht des Kapitalmarkts noch aus Sicht der Sicherungsfunktion der Verrechnungssteuer ein Handlungsbedarf, argumentiert der Bundesrat.
Die Vernehmlassung dauert bis zum 31. März 2015. In Kraft treten soll die Reform 2019 – falls es mit dem automatischen Informationsaustausch nach Plan läuft. Die Vorlage dazu präsentiert der Bundesrat voraussichtlich in den nächsten Wochen oder Monaten. (awp/mc/pg)