Der Bundesrat legt seinen Aussenpolitischen Bericht 2012 vor. (Foto: admin.ch)
Bern – Der Bundesrat rechnet damit, dass die EU im Zusammenhang mit der Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien eine Kohäsionszahlung fordert. Dies schreibt er im Aussenpolitischen Bericht 2012, den er am Mittwoch verabschiedet hat. Es sei möglich, dass die EU in den kommenden Wochen um einen Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der EU zugunsten Kroatiens ersuchen werde, wie dies schon beim Beitritt Rumäniens und Bulgariens der Fall gewesen sei, heisst es im Bericht.
Im Dezember hatte der Bundesrat entschieden, die Verhandlungen mit der EU über die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien aufzunehmen. Er betonte, dass dies das Fortbestehen der Personenfreizügigkeit und damit den bilateralen Weg mit der EU sichere. Zu möglichen Kohäsionszahlungen sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga damals, die EU habe bisher nicht darum ersucht.
EU-Justizkommissarin Viviane Reding machte in einem Interview Ende Dezember allerdings deutlich, dass die EU eine Zahlung erwartet. Auf die Frage, weshalb die EU eine neue Kohäsionszahlung von der Schweiz wünsche, sagte sie: «Wenn man teilnehmen will an einem grossen Ensemble, kann man nicht nur Rosinen picken.»
Fortschritte bei Steuerfragen
Im Aussenpolitischen Bericht bietet der Bundesrat einen Überblick über die aussenpolitischen Aktivitäten der Schweiz im Jahr 2012. Dabei hebt er sein Engagement hervor, offene Fragen mit den Nachbarstaaten «aktiv anzugehen und konstruktiv zu lösen». Namentlich bei Steuer- und Verkehrsfragen hätten Fortschritte erzielt werden können, heisst es im Bericht. Als Beispiele nennt der Bundesrat das Steuerabkommen mit Österreich und den Fluglärmvertrag mit Deutschland, dessen Ratifizierung von Berlin allerdings inzwischen ausgesetzt worden ist.
Anhaltende Meinungsverschiedenheiten
Die Beziehungen zur EU wertet der Bundesrat als «insgesamt gut, wenn auch geprägt von teils kontroversen Sachthemen wie der Steuerproblematik, den institutionellen Fragen oder der Anwendung der Ventilklausel bei der Personenfreizügigkeit». An anderer Stelle schreibt der Bundesrat, das Jahr 2012 sei auch durch «anhaltende Meinungsverschiedenheiten zwischen der Schweiz und der EU» geprägt gewesen, namentlich bei der Frage, ob gewisse flankierende Massnahmen zur Personfreizügigkeit rechtens seien.
Kritik wegen Ventilklausel
Die Anwendung der Ventilklausel löste gemäss dem Bundesrat etliche negative Reaktionen aus. Überdies habe der Entscheid den Europäischen Auswärtigen Dienst in seiner Forderung nach einer neuen institutionellen Architektur bestärkt, stellt der Bundesrat fest.
Die Schweiz sei diplomatisch «sehr aktiv geworden», um den Beschluss zu erklären. Allerdings sei «in aller Deutlichkeit» der Wunsch geäussert worden, dass die Ventilklausel 2013 nicht reaktiviert werde. Mit der Ventilklausel hatte der Bundesrat letztes Jahr für Angehörige aus den neuen osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten die Aufenthaltsbewilligungen vorübergehend wieder begrenzt.
Gleiche Regeln für alle
Generell poche die EU immer stärker darauf, dass die einschlägigen Regeln von sämtlichen Akteuren eingehalten würden, die Zugang zu ihrem Binnenmarkt hätten, schreibt der Bundesrat. Aus Sicht der EU bedeute dies nicht nur die Übernahme des einschlägigen EU-Rechts, sondern auch die systematische Anpassung der Verträge an die spätere Weiterentwicklung dieses Rechts. Die Anwendung der Verträge sei zudem einer unabhängigen Überwachung zu unterstellen.
Diesbezüglich habe sich «ein intensiver Dialog auf höchster Ebene» entwickelt, heisst es im Bericht. Der Bundesrat räumt ein, dass seine Vorschläge für Lösungen in der EU in gewissen Punkten auf Kritik stiessen, zeigt sich aber weiterhin zuversichtlich: Die Antworten der EU auf die Vorschläge «sollten die Aufnahme von Gesprächen ermöglichen», schreibt er. Angestrebt würden Lösungen, welche die Souveränität und Autonomie der Schweiz berücksichtigten.
Steuerstreit mit den USA: Globallösung weiter das Ziel
Zum Steuerstreit mit den USA bekräftigt der Bundesrat, dass er weiterhin eine Globallösung anstrebt. Im Rahmen dieser Lösung sei es an den Banken, Vergleiche mit den US-Behörden abzuschliessen. Zu den Meilensteinen im Jahr 2012 zählt der Bundesrat die definitive Bestätigung, dass die Schweiz 2014 den OSZE-Vorsitz übernehmen wird. (awp/mc/pg)