Bundesrat pocht in Strategie zu Agrarpolitik auf Freihandel
Bern – Der Bundesrat pocht bei der künftigen Landwirtschaftspolitik auf Freihandel. Bundesrat Johann Schneider-Ammann warnte davor, dass die Volkswirtschaft ohne Zugang zu wichtigen Märkten im Nachteil sei. In einem Bericht werden mehrere Szenarien berechnet.
Der Bundesrat verabschiedete seinen Bericht zur mittelfristigen Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+). Diese Gesamtschau setzt auf zwei Achsen: Im Inland sollen Akteure der Land- und Ernährungswirtschaft neue Perspektiven erhalten. Gleichzeitig soll der Markt stärker geöffnet werden.
Der Grenzschutz der Landwirtschaft sei schwierig aufrecht zu erhalten, sagte Landwirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann am Mittwoch in Bern vor den Medien. In Gesprächen über Freihandel sei dieser Schutz immer wieder ein Thema. «Wir können uns Anpassungen nicht verweigern.»
«Für die Volkswirtschaft»
Diktieren wolle er der Landwirtschaft nichts, sondern Lösungen zusammen mit den Betroffenen erarbeiten. Die Landwirtschaft an sich müsse wettbewerbsfähiger werden. Beim Käse seien die Schweizer Produzenten gut im internationalen Geschäft. In anderen Bereichen jedoch brauche es Verbesserungen.
Schneider-Ammann plädierte für Kostensenkungen. Die Landwirtschaft habe noch Potenzial, etwa mit Zusammenarbeit, gemeinsamen Beschaffungen oder zusätzlichen Absatzchancen dank Digitalisierung. Die Pläne des Bundesrates seien «nicht gegen die Landwirtschaft, sondern für die Volkswirtschaft».
Freihandel eröffne der Schweizer Wirtschaft grosse Absatzmärkte. Es sei wichtig, geregelte Verhältnisse zu schaffen, nicht zuletzt damit die Schweizer Volkswirtschaft gegenüber der EU nicht ins Hintertreffen gerate.
Die bessere Vernetzung mit dem Ausland dient laut Bericht der Ernährungssicherheit. 40 bis 50% der im Inland benötigten Nahrungsmittel würden importiert. Im September sagten Volk und Stände Ja zum Verfassungsartikel über Ernährungssicherheit. Es war jedoch umstritten, wie weit er sich auf Diskussionen über Marktöffnung auswirkt.
Mehrwertsteuer angesprochen
Für die Bauern wäre ein weniger rigider Grenzschutz zu bewältigen, wenn sie geeignete Unterstützung erhielten, hält der Bundesrat fest. Diesem Aufwand gegenüber stünden positive Auswirkungen einer Marktöffnung auf das Wirtschaftswachstum.
Die Begleitmassnahmen zur Unterstützung der Landwirtschaft würden je nach Grad der Grenzöffnung den Bundeshaushalt unterschiedlich stark belasten, heisst es im Bericht. Die Rede ist je nach Szenario von bis zu 1,5 Mrd CHF. Diesen Betrag allein mit weniger Ausgaben zu kompensieren, scheint laut Bericht unrealistisch.
Geprüft werden könnte eine zum Teil befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer. Einer Erhöhung um 0,4 Prozentpunkte vier Jahre nach einer Marktöffnung und von noch zusätzlichen 0,2 Prozentpunkten danach könnte die Summe, die über Ausgaben kompensiert werden müsste, auf 200 bis 300 Mio CHF im Jahr begrenzt werden.
Weniger Regulierungen
Mit seinen agrarpolitischen Leitlinien will der Bundesrat aber auch bei den Betrieben im Inland ansetzen und ihnen zum einen weniger Regulierungen auferlegen. Die Bauern als Unternehmer müssten ihre Eigenverantwortung wahrnehmen, sagte Schneider-Ammann dazu.
Zum andern sollen Bauernbetriebe ihren ökologischen Fussabdruck verkleinern, wie Schneider-Ammann sagte. Er erwähnte dabei den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, den Schutz des Kulturlandes oder Abgase von Maschinen. Es gelte, bei mehr Produktivität das Optimum auszuschöpfen.
Vernehmlassung Ende 2018
Das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) wird nun ein Aussprachepapier für die Konkretisierung der Stossrichtungen verfassen, wie es in der Mitteilung heisst. Angaben wünscht der Bundesrat zu Kostensenkungen, die eine allfällige Marktöffnung im Rahmen von bilateralen Handelsabkommen bewirken könnte.
Zu den strategischen Leitlinien des Bundesrates für die künftige Landwirtschaftspolitik (AP22+) soll sich auch das Parlament äussern können. Liegen die Rückmeldungen vor, wird der Bundesrat im vierten Quartal 2018 eine Vernehmlassung durchführen. Eine Botschaft stellte Schneider-Ammann für Sommer 2019 in Aussicht. (awp/mc/ps)