Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Bern – Der Bundesrat will dem Parlament nächstes Jahr einen Bericht zur Zukunft der zweiten Säule vorlegen. Dieser wird unter anderem die Frage behandeln, ob auch die Rentner einen Beitrag gegen die Unterdeckung der Pensionskassen leisten sollten.
Im Rahmen des Berichts werde untersucht, ob die einseitige Belastung der aktiven Versicherten und der Unternehmen auf Dauer sachgerecht sei, schreibt der Bundesrat in seiner am Donnerstag veröffentlichten Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss. Ferner will der Bundesrat im Bericht mögliche Massnahmen zur Abfederung von Renteneinbussen aufzeigen.
Mindestzinssatz auf 1,5% gesenkt
Am Mittwoch hatte der Bundesrat den Mindestzinssatz auf 1,5% gesenkt. Die Versicherten erhalten damit ab nächstem Jahr für ihre Altersguthaben bei den Pensionskassen so wenig Zins wie noch nie. Der Bundesrat begründete dies mit der Entwicklung der Finanzmärkte. Bei seinem Entscheid stützte sich der Bundesrat auf die von der Kommission für berufliche Vorsorge empfohlene Berechnungsmethode. Dabei wird einerseits der Zinssatz der durchschnittlichen Rendite von 7-jährigen Bundesobligationen berücksichtigt. Anderseits werden Indices herangezogen, welche die Entwicklungen bei anderen Anlagekategorien berücksichtigen.
Keine fixe Formel
Eine im Gesetz verankerte feste Formel zur Festlegung des Mindestzinssatzes lehnt der Bundesrat ab, wie er in den Antworten auf die Vorstösse festhält. Die starre Anwendung einer Formel könnte angesichts von nicht vorhersehbaren Marktentwicklungen «fatale Folgen» haben für die Versicherten, die Arbeitgeber und die Vorsorgeeinrichtungen. Auch beim Umwandlungssatz, nach welchem das angesparte Altersguthaben in die jährliche Rente umgerechnet wird, will der Bundesrat nichts wissen von einer starren Formel. Eher müssten andere Optionen in Betracht gezogen werden, um die Leistungen der zweiten Säule und deren Finanzierung nachhaltig ins Gleichgewicht zu bringen.
Mehr Kompetenzen für Bundesrat
Der Bundesrat könnte sich vorstellen, den heute gesetzlich verankerten Umwandlungssatz künftig in eigener Kompetenz festzulegen – ohne Mitsprache des Parlaments. Fest steht für ihn, dass mittelfristig eine Senkung des Umwandlungssatzes «unausweichlich» ist. Die Stimmbevölkerung habe dies zwar abgelehnt, doch sei das Problem nicht aus der Welt. Fixe Formeln für den Mindestzinssatz und den Umwandlungssatz verlangt die FDP-Fraktion. Die derzeitige Situation der zweiten Säule sei besorgniserregend, lautet die Begründung ihrer Vorstösse. Die Pensionskassen sähen sich gezwungen, auf ihre Reserven oder ihre Aktiven zurückzugreifen, damit die Versicherten ihre Rente beziehen könnten.
Krise als Vorwand
Die SP sieht derweil die Krise als Vorwand für einen Angriff auf die Renten. Lohnempfängerinnen und Lohnempfänger müssten für Verluste aufkommen – ungeachtet der Tatsache, dass im BVG-Geschäft weiterhin jedes Jahr rund vier Milliarden Franken versickerten, kritisiert die SP-Fraktion in einer Interpellation. Nach Schätzung des Bundes befanden sich per Mitte Oktober rund ein Drittel der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie in einer Unterdeckung. Die Unterdeckungssumme beläuft sich demnach auf rund 17 Mrd CHF. Bei Einrichtungen mit Staatsgarantie beläuft sich die Unterdeckung auf 31 Mrd. Die Gesamtsituation sehe damit ähnlich aus wie 2008, schreibt der Bundesrat. (awp/mc/ps)