Bundesrat warnt vor Annahme der Energiesteuer-Initiative
Energie- statt Mehrwertsteuer: Nach Berechnungen des Bundesrates würde dies auch zu massiv höheren Benzinpreisen führen. (Foto: Pixabay)
Bern – Am 8. März stimmen Volk und Stände über die Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» der Grünliberalen ab. Aus Sicht des Bundesrates verfolgt diese zwar das richtige Ziel, aber auf falschem Weg. Ende März will der Bundesrat seine eigenen Vorschläge für eine Steuerreform präsentieren. Die Initiative verlangt, dass die Mehrwertsteuer durch eine Steuer auf der Produktion und der Einfuhr von Erdöl, Gas, Kohle und Uran ersetzt wird. Im Gegenzug soll die Mehrwertsteuer abgeschafft werden.
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sprach am Mittwoch vor den Medien in Bern von einem «risikoreichen Unterfangen». Die Mehrwertsteuer sei mit jährlich über 22 Mrd CHF die wichtigste Einnahmequelle des Bundes. Um die gleichen Einnahmen mit der Energiesteuer zu erzielen, müssten die Steuersätze sehr hoch sein.
Benzin um 3 Franken teurer
Nach Schätzungen des Bundes läge bei einem Ja zur Initiative die Energiesteuer im Jahr 2020 bei ungefähr 33 Rappen pro Kilowattstunde Strom und rund 3 CHF pro Liter Benzin. Im Budget von Haushalten mit niedrigem Einkommen würde dies stärker ins Gewicht fallen als in jenem von Haushalten mit hohen Einkommen. Dies sei zwar auch bei der Mehrwertsteuer der Fall, aber in geringerem Ausmass, sagte Serge Gaillard, der Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung. Denn der Anteil der Energie am Budget von Haushalten mit einem Einkommen bis 4’800 CHF sei doppelt so hoch wie jener von Haushalten mit einem Einkommen über 13’000 CHF.
Belastung für Unternehmen
Tritt die Lenkungswirkung ein, müsste die Energiesteuer zudem ständig erhöht werden. Längerfristig wäre die Finanzierung der Bundesaufgaben nicht mehr gesichert, warnte Widmer-Schlumpf. Darüber hinaus würde die Belastung für Unternehmen steigen. Heute sind Produkte, die exportiert werden, von der Mehrwertsteuer befreit. Mit einer Energiesteuer wäre eine solche Befreiung aus Sicht des Bundesrates kaum möglich, da für jedes Produkt berechnet werden müsste, wie viel graue Energie in ihm steckt. Die graue Energie von Importprodukten zu besteuern, wäre ausserdem nicht WTO-konform. Damit wären Schweizer Unternehmen im Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz benachteiligt, sagte die Finanzministerin.
Auch der Bundesrat will Abgaben
Auch der Bundesrat will aber das geltende System reformieren. Als zweite Etappe der Energiestrategie 2050 ist vorgesehen, das Fördersystem durch ein Lenkungssystem zu ersetzen. Ende März – also nach der Abstimmung über die Initiative der Grünliberalen – will der Bundesrat die Vernehmlassung dazu eröffnen. Geplant sind Klima- und Stromabgaben, die ab 2021 schrittweise die Fördermassnahmen für erneuerbare Energien und Gebäudesanierungen ablösen sollen. Widmer-Schlumpf gab am Mittwoch bereits einige Einzelheiten zum Projekt bekannt, das der Bundesrat nicht mehr «ökologische Steuerreform» nennt.
Verteuerung des Benzins um 30 Rappen pro Liter
Nach dem Willen des Bundesrates soll das neue System gleich hohe Einnahmen generieren wie das heutige. Belohnt würde, wer wenig Strom aus nichterneuerbarer Energie konsumiert und wenig zum Ausstoss von Treibhausgasen beiträgt. Die Abgaben sollen über Krankenkassen oder Steuergutschriften zurückerstattet werden. Bei den Unternehmen ist eine Rückverteilung über die AHV-pflichtige Lohnsumme oder die Unfallversicherung geplant.
Der Preis für Heizöl würde mit dem bundesrätlichen Lenkungssystem um 35 bis 55 Rappen pro Liter steigen, jener für Benzin um rund 30 Rappen. Eine Lenkungswirkung trete erst ein, wenn die Abgaben eine gewisse Höhe hätten, gab Widmer-Schlumpf zu bedenken. In der Bilanz wären die Haushalte aber nicht schlechter gestellt. Gaillard ergänzte, dass die geplante Abgabe auf Benzin auch zu anderen Plänen des Bundes passe, etwa jenen für einen Nationalstrassenfonds.
Abstimmung über Verfassungsänderung
Da für das neue Lenkungssystem eine Verfassungsänderung nötig wäre, werden Volk und Stände später auch darüber abstimmen können. Der Bundesrat hatte in Erwägung gezogen, seine Vorschläge als direkten Gegenvorschlag zur Initiative der Grünliberalen vorzulegen, sich aber dagegen entschieden. Im Parlament wurden Bedenken laut, dass dies die Chancen der bundesrätlichen Vorschläge schmälern könnte, da eine deutliche Ablehnung der Initiative durch das Volk als Nein zu jeglicher ökologischen Steuerreform gedeutet werden könnte. Unterstützung erhielt die Initiative im Parlament nur von den Grünen.
Widmer-Schlumpf zeigte sich dagegen zuversichtlich, dass das gewählte Vorgehen eine breite Diskussion über die bundesrätlichen Vorschläge ermöglicht. Sie gab zu bedenken, dass die Initiative noch aus einer Zeit vor der neuen Energiestrategie stamme und einen totalen Umbau des Steuersystems innerhalb von nur fünf Jahren vorsehe. Das Lenkungssystem, das der Bundesrat wolle, orientiere sich dagegen an den Klima- und Energiezielen. (awp/mc/pg)