Bern – Der Bundesrat will das Epidemiengesetz anpassen und dabei Lehren aus der Covid-19-Pandemie ziehen. Das soll die Schweiz auf künftige Krisen und Gefahrenlagen vorbereiten. Namentlich soll die Koordination zwischen Bund und Kantonen verbessert werden.
Die Teilrevision des seit 2016 geltenden Epidemiengesetzes sei im Hinblick auf Pandemien und bedeutende Gesundheitsbedrohungen notwendig, sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch in Bern vor den Medien. Namentlich will er das Eskalationsmodell mit normaler, besonderer und ausserordentlicher Lage anpassen.
Das Modell habe sich grundsätzlich bewährt, sagte Berset. Doch es gebe Unsicherheiten bei den Voraussetzungen für die besondere Lage sowie bei den Übergängen von der einen zur anderen Lage.
In der normalen Lage soll der Bund – bei besonderer Gefährdung – Massnahmen in öffentlichen Verkehrsmitteln anordnen können. Das kann zum Beispiel eine Maskentragpflicht sein.
Vorbereitungen vorschreiben
Neu will der Bundesrat den Kantonen Vorbereitungen auf eine besondere Lage vorschreiben. Die besondere Lage soll er selbst nach Anhörung der Kantone und der zuständigen Parlamentskommissionen formal feststellen. Für die Anordnung von Massnahmen bleiben die Kantone verantwortlich, wenn der Bund sie nicht schon angeordnet hat.
In der ausserordentlichen Lage – der dritten und höchsten Stufe – kann der Bundesrat per Notrecht Massnahmen anordnen.
Auch aus Sicht der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) müssen die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen in der besonderen Lage geschärft werden. Die GDK legt den Finger auf den Wechsel von einer Lage in eine andere. Für ein effizientes Meldewesen und Monitoring müssten zudem die Digitalisierung und das Datenmanagement im Gesundheitswesen vorangetrieben und verbindlich geregelt werden, hält sie fest.
Zwei Varianten für Hilfe an Firmen
Geht es um Finanzhilfen an wegen Schutzmassnahmen finanziell gebeutelte Unternehmen, stellt der Bundesrat zwei Varianten zur Diskussion. Die eine ist ein Verzicht auf eine Regelung im Epidemiengesetz und spezifische Regelungen bei Notwendigkeit.
Mit der zweiten – einer Verankerung im Epidemiengesetz – erhielte der Bundesrat die Möglichkeit, in einer Epidemie unter bestimmten Bedingungen eine Verordnung zu erlassen, um Unternehmen unter die Arme zu greifen, mit rückzahlbaren Liquiditätshilfen.
Die Möglichkeit für den Bund, in die Versorgung einzugreifen, will der Bundesrat ebenfalls aus dem Covid-19-Gesetz übernehmen. Hier geht es zum Beispiel um die Meldepflicht zum Bestand von medizinisch wichtigen Gütern oder den Kapazitäten der Gesundheitsversorgung in den Kantonen.
Vereinfachen will der Bundesrat die Regeln zur Finanzierung von wichtigen medizinischen Gütern. Der Bund soll auch bei künftigen Pandemien die Kosten für Impfstoffe, Tests und Arzneimittel übernehmen können.
Rechtsgrundlage für Zertifikate
Die Möglichkeit für ein Impfobligatorium will der Bundesrat nicht ausweiten, aber den einfachen Zugang zum Impfen und das Monitoring über Durchimpfungen verbessern. Ins Epidemiengesetz aufgenommen werden sollen auch die Rechtsgrundlagen zu Zertifikaten, um Impfungen fälschungssicher nachzuweisen, sagte Berset.
Präzisieren will der Bundesrat auch die Vorgaben zur Überwachung und Früherkennung. Zuständig dafür ist weiterhin das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Der Bundesrat soll nicht nur Betreiber von Kläranlagen, sondern auch andere Institutionen und Betriebe verpflichten können, an der Überwachung des Abwassers mitzuwirken.
Zur Corona-Zeit gehörten Diskussionen und Kritik am Flickenteppich von Schutzmassnahmen in den Kantonen. Mehr Kohärenz kann nach den Worten des Gesundheitsministers zwar Abhilfe schaffen. «Man kann aber nicht alles erwarten von einem Gesetz», gab Berset zu bedenken.
Auch künftig schwierig
Denn neben dem Gesetz brauche es für eine Bewältigung auch Regierungen, Ermessensspielräume und menschliche Kontakte. Auch während einer künftigen Pandemie werde alles schwierig sein.
Im Epidemiengesetz verankern will der Bundesrat zudem die Vorbeugung und Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen und Spitalinfektionen, die teilweise ebenfalls von gegen Antibiotika resistenten Keimen verursacht werden. Der Bundesrat will Spitäler, Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen künftig verpflichten können, Massnahmen zur angemessenen Anwendung von Antibiotika umzusetzen.
Die Vernehmlassung zum Entwurf des Epidemiengesetzes dauert bis 22. März 2024. (awp/mc/pg)