Bern – Im Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz will der Bundesrat die Importzölle für Autos, Haushaltsgeräte oder Kleider aufheben. Die Zölle für gewisse Agrargüter sollen gesenkt werden. Der Bundesrat rechnet mit Einsparungen von 900 Mio CHF.
Davon profitieren Haushalte und Unternehmen. Der Bund hingegen muss mit rund 500 Mio CHF weniger Einnahmen rechnen, wie es in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht heisst. Gemäss diesem liegen die Schweizer Preise von Konsumgütern und Dienstleistungen fast 60% über jenen der 15 alten EU-Staaten.
Viele Ursachen
Die Einfuhrzölle sind nur ein Grund dafür. Weitere sind die Kosten für Zulassungen und Beschriftungen, höhere Lohnkosten und Margen oder der «Zuschlag Schweiz». Dies bedeute, dass es keine einzelne Massnahme gebe, welche das Preisniveau erheblich senken könne, heisst es im Bericht. Verschiedene Massnahmen mit dem Ziel, die administrative Belastung zu senken, hat der Bundesrat bereits beschlossen.
Nun setzt er zum grossen Wurf an. Er erwägt, die Einfuhrzölle auf Industriegüter einseitig aufzuheben. Als Industriegüter gelten alle Güter ausser Agrarprodukte, Lebensmittel und Futtermittel. Günstiger werden könnten also Konsumgüter wie Fahrräder, Autos, Haushaltsgeräte, Körperpflegeprodukte oder Kleider, aber auch Rohstoffe oder Halbfabrikate.
Teure Nahrungsmittel
Die Zölle liegen heute bei durchschnittlich 1,8%. Die Einsparungen durch deren Wegfall beziffert der Bericht auf 490 Mio CHF. Dieser Betrag würde in der Bundeskasse fehlen. 100 Mio CHF sollen administrative Entlastungen bringen, indirekte Effekte 270 Mio. In einer Mitteilung kündigte der Bundesrat eine Vernehmlassungsvorlage zur Abschaffung der Zölle auf Industriegütern an.
Auch bei Nahrungsmitteln gibt es grosse Preisunterschiede zur EU. Für den Grenzschutz zahlen die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten rund 3 Mrd CHF. Daher will der Bundesrat auch die Zölle auf Agrarprodukten und Lebensmitteln senken. Im Visier hat er Produkte wie Bananen und andere exotische Früchte.
Landwirtschaftliche Produkte, die auch im Inland hergestellt werden, sind von diesem Zollabbau hingegen nicht betroffen. Wie viel die Konsumenten dadurch einsparen können und wie viel dem Bund dadurch entgeht, hängt davon ab, welche Zölle wie stark gesenkt werden. Der Bundesrat hat dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung einen entsprechenden Auftrag erteilt.
Tiefere Standards
Weiter plant der Bundesrat, gewisse Ausnahmen vom Cassis-de-Dijon-Prinzip zu streichen. Dessen Ziel ist es, dass Produkte, die nach Vorschriften der EU hergestellt und dort rechtmässig in Verkehr gebracht worden sind, auch in die Schweiz eingeführt werden dürfen.
Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen, zum Beispiel aus Gründen des Umweltschutzes. Das wirkt sich auf den Preis aus. Gemäss einer Studie verteuern zum Beispiel die strengeren Schweizer Energieeffizienzanforderungen Haushaltsgeräte um bis zu 13%. Die Deklarationsvorschriften für Holz und Holzprodukte führen zu einem Aufschlag in ähnlicher Grössenordnung.
Diese Ausnahmen vom Cassis-de-Dijon-Prinzip will der Bundesrat beseitigen, womit die strengeren Schweizer Regeln ausgehebelt würden. Laut Bundesrat würde sich auf der anderen Seite der Wettbewerb intensivieren, was zu tieferen Konsumentenpreisen führen soll.
Schon am 8. Dezember 2017 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zu einer Vereinfachung des Bewilligungssystems für Lebensmittel eröffnet, die gemäss dem Cassis-de-Dijon-Prinzip in der Schweiz in Verkehr gebracht werden. Geplant ist, die Bewilligungspflicht durch ein digitalisiertes Meldeverfahren zu ersetzen.
Mit der Initiative «Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise» (Fair-Preis-Initiative) will sich der Bundesrat nächstes Jahr befassen. Diese ist am 12. Dezember eingereicht worden. Sie will verhindern, dass auf Produkten ein «Zuschlag Schweiz» erhoben werden kann. (awp/mc/pg)