Bern – Wer aus einer Grenzregion eines Nachbarlandes einreist, muss nicht in eine zehntägige Quarantäne – auch dann nicht, wenn die Region hohe Corona-Fallzahlen zu verzeichnen hat. Der Bundesrat hat am Freitag weitere Ausnahmen von der Quarantänepflicht beschlossen.
Seit Wochen steigt sowohl in der Schweiz als auch im umliegenden Ausland das Corona-Infektionsrisiko. Die Staaten geraten zunehmend unter Druck, neue Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu treffen.
Der Bundesrat setzt seit längerem auf Quarantäneregeln für Einreisende aus Risikogebieten. Nun hat er diese Regeln für Einreisende aus den Nachbarstaaten Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich und Liechtenstein präzisiert.
Keine Hotspots nahe der Grenze
Generell gilt: Wer aus den Grenzregionen dieser Länder einreist, muss nicht in eine zehntägige Quarantäne. «Die Grenzregionen können von der Aufnahme auf die Liste ausgenommen werden», sagte Gesundheitsminister Alain Berset vor den Bundeshausmedien. Er lässt aber mit der Kann-Formulierung ein Türchen für schärfere Regeln offen.
Zu Beginn der Pandemie gab es im Elsass einen Hotspot. Wenn wieder Ähnliches eintreffen würde, «dann werden wir die Situation neu beurteilen müssen», sagte Berset. Im österreichischen Bundesland Tirol liegen die Fallzahlen derzeit über dem Grenzwert von 60 Neuinfektionen pro 100’000 Personen. Die Lage in den Grenzregionen sei aber stabil.
Grenzkontrollen «unrealistisch»
Berset stellte klar, dass mit dem neuen Quarantäneregime mit den Nachbarländern keine zusätzlichen Kontrollen an der Grenze eingeführt werden. «Das wäre unrealistisch.» Der Bundesrat habe eine pragmatische Lösung gesucht. «Wir schauen immer auch, was andere machen.»
Gleichzeitig betonte er, dass die Behörden nicht alles kontrollieren könnten. Schliesslich sei jede und jeder Einzelne für die Eindämmung der Krise mitverantwortlich. Ein Verstoss gegen die Quarantänepflicht sei grundsätzlich strafbar.
Paris und Wien auf Quarantäneliste
Von den Nachbarländern werden künftig jeweils nur Regionen, nicht aber das ganze Land auf die Risikoliste des Bundesamts für Gesundheit (BAG) gesetzt. Das geschieht dann, wenn die Corona-Fallzahlen den Grenzwert überschreiten, wenn verlässliche Informationen fehlen oder wenn aus den Regionen wiederholt infizierte Personen in die Schweiz eingereist sind.
Nichts ändert sich für Rückkehrerinnen und Rückkehrern aus Risikogebieten, die sich nicht in der Nähe der Schweiz befinden. Sie müssen nach wie vor in Quarantäne. Das gilt neu auch für Reisende aus neun von 13 europäischen Regionen Frankreichs, darunter Paris oder die Côte d’Azur, oder aus dem österreichischen Bundesland Wien. Die aktualisierte Risikoliste gilt ab Montag.
Bundesrat sucht Balance
Grenzgängerinnen und Grenzgänger sind – wie bereits heute – von der Quarantänepflicht ausgenommen. Andere Länder handhaben das ähnlich. Mit dem regionalen Ansatz trage der Bundesrat auch der engen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Verflechtung in den Grenzregionen Rechnung, sagte Berset.
«Wir müssen mit dem Virus leben, ohne dass wir die Kontrolle verlieren.» Der Bundesrat habe die Balance gesucht zwischen dem Schutz der Gesundheit und den Bedürfnissen der Bevölkerung.
Weitere Ausnahmen
Der Bundesrat beschloss weitere Ausnahmen von der Quarantänepflicht. Neu müssen zurückkehrende Kulturschaffende nach einem kulturellen Anlass, Sportlerinnen und Sportler nach einem Wettkampf sowie Teilnehmende von Fachkongressen nicht in Quarantäne. Von der Quarantänepflicht befreit sind zudem Personen, die aus beruflichen oder medizinischen Gründen notwendig und unaufschiebbar in ein Risikogebiet reisen müssen.
Angepasst hat der Bundesrat ferner die Berechnungsgrundlagen für die Quarantäne. So können die Kantone den Aufenthalt in einem Staat ohne erhöhtes Ansteckungsrisiko vor einer Einreise in die Schweiz anrechnen und die Dauer der Quarantäne in der Schweiz entsprechend kürzen. (awp/mc/pg)
BAG-Liste der Staaten und Gebiete mit erhöhtem Ansteckungsrisiko