Bundesrat will Strommarkt strenger kontrollieren
Bern – Stromfirmen, die im Handelsgeschäft tätig sind, sollen künftig strengeren Transparenzregeln unterliegen. Zudem soll der Bund Sanktionen ergreifen können, wenn Unternehmen Insiderhandel betreiben oder den Markt manipulieren. Diese Vorschläge hat der Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt.
Es sei dies der erste Schritt, um den Rettungsschirm für systemkritische Stromunternehmen abzulösen, sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga am Freitag an ihrer voraussichtlich letzten Medienkonferenz. Weitere Schritte müssten folgen.
Heute gelten nur für die drei grossen Stromunternehmen Alpiq, Axpo und BKW strenge Auskunftspflichten. Künftig sollen über hundert Unternehmen auf dem Schweizer Strommarkt, rund zwanzig Firmen im Gasmarkt und teilweise auch Rohstoffhändler stärker unter die Lupe genommen werden.
«Endlich ein Frühwarnsystem»
Kurz gesagt, soll die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) einen besseren Einblick in die Handelsgeschäfte der Branche erhalten. Sie müsste über Transaktionen und Börsengeschäfte ins Bild gesetzt werden. «Die Elcom würde dann endlich über ein Frühwarnsystem verfügen», sagte Sommaruga.
Dass die Marktteilnehmer der Aufsichtsbehörde des Bundes künftig zahlreiche Angaben machen müssen, dürfte nicht überall gut ankommen. Sommaruga sagte dazu, dass sie Widerstand erwarte. «Keine Branche jubelt, wenn sie mehr Transparenz schaffen muss.» Dem Bundesrat gehe es aber um die Stärkung der Versorgungssicherheit.
Die neuen Bestimmungen stehen laut dem Bundesrat grundsätzlich im Einklang mit den Regelungen in der EU. Dort gelten seit Jahren strengere Regeln als in der Schweiz.
Neue Sanktionsmöglichkeiten
Mit dem neuen Bundesgesetz will der Bundesrat auch Insiderhandel und Marktmanipulation im Energiegrosshandel verbieten. Laut Cornelia Kawann, Leiterin Sektion Marktüberwachung bei der Elcom, gab es bisher keine Sanktionsmöglichkeiten.
Zwar seien in Vergangenheit «gewisse Fälle» an Marktmanipulation und Insiderhandel durch ihre Behörde festgestellt worden. Man habe aber nur auf die Unternehmen zugehen können und sie darauf aufmerksam machen. Künftig soll die Elcom die Pflichten der Marktteilnehmer durchsetzen und Verstösse dagegen sanktionieren können.
Die Elcom soll mit diesen Massnahmen Risiken im Strom- und Gashandelsmarkt sowie die Liquiditätssituation der Unternehmen besser beurteilen können, wie der Bundesrat schreibt. Ziel sei es, dass der Bund in Zukunft nicht mehr finanziell einspringen müsse. Derzeit können systemkritische Schweizer Stromunternehmen Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen beziehen.
Weitere Vorschriften geplant
Die Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Aufsicht und Transparenz der Energiegrosshandelsmärkte (Gate) dauert bis am 31. März 2023.
Mit den neuen Transparenzpflichten und Verboten ist es für Sommaruga aber nicht getan. Es werde eine weitere Vorlage folgen, welche sich insbesondere der Eigenmittel- und Liquiditätsvorgaben annimmt. «Es braucht zwingend strengere Eigenmittelvorschriften – wie in der Finanzbranche», sagte Sommaruga.
Der Ständerat hatte am Montag eine Motion für neue gesetzliche Regeln im Energiemarkt einstimmig angenommen. Diese fordert unter anderem, dass Unternehmen mit einem Grundversorgungsauftrag vermehrt Mittel- und Langfristverträge schliessen und strengere Regeln bei den Eigenmitteln erfüllen müssen.
Schweiz schafft Polster
Auf den europäischen Energiemärkten war es in den vergangenen Monaten zu starken Preisaufschlägen gekommen, die sich mit dem Krieg in der Ukraine verschärft haben. Das hat den Liquiditätsbedarf der Stromunternehmen erhöht.
«In der Ukraine herrscht weiter Krieg, in Frankreich sind viele AKW nicht am Netz, es gibt keine Sicherheiten für die Energieversorgung», sagte Sommaruga. Die Schweiz habe in den vergangenen Monaten aber «ein Polster vorbereitet – in einem für unser Land unüblichen Tempo».
Sie hoffe, dass man realisiert habe, was eine sichere Stromversorgung bedeute, sagte Sommaruga am Ende ihres einleitenden Votums. Mit ihrem Nachfolger, SVP-Bundesrat Albert Rösti, werde sie sich noch über Diverses unterhalten. «Es ist aber nicht mein Stil, öffentlich Ratschläge zu erteilen.» (awp/mc/pg)