Bern – Eine international besetzte Expertengruppe hat 38 Massnahmen vorgeschlagen, um das Wachstum der Gesundheitskosten zu bremsen. In einem ersten Schritt will der Bundesrat nur einen Teil davon umsetzen. Der Kostendeckel gehört nicht dazu.
Es handelt sich möglicherweise um den wirksamsten, sicher aber um den umstrittensten Vorschlag der Experten. Diese waren sich einig, dass Eingriffe allein beim Preis dazu führen, dass die Ärzte mehr und teilweise unnötige Behandlungen durchführen. Massnahmen gegen die Mengenausweitung hingegen haben sich im Ausland als wirksam erwiesen – vor allem dann, wenn bei Überschreitung der Zielvorgaben Sanktionen drohen.
Konkret bedeutet das eine Obergrenze für die Ausgaben im Gesundheitswesen. In der Schweiz kommt ein solcher Kostendeckel schlecht an. In seltener Einmütigkeit haben sich Ärzte, Spitäler, Patientenorganisationen und Krankenkassen letzten Herbst dagegen ausgesprochen. Angesichts des geballten Widerstands erstaunt es nicht, dass der Bundesrat den Vorschlag nicht prioritär behandelt. Er will bis Ende Jahr eine Aussprache darüber führen, wie es in einer Mitteilung vom Donnerstag heisst. Konkrete Vorschläge sind also nicht vor 2019 zu erwarten.
Spürbare Einsparungen
Fast ebenso umstritten wie der Kostendeckel ist das Referenzpreissystem für Generika. Bei dem Thema lässt sich der Bundesrat nicht bremsen: Das Referenzpreissystem gehört zu jenen Massnahmen, die er im Herbst 2018 in die Vernehmlassung schicken will. Bei patentabgelaufenen Medikamenten soll die Krankenkasse nur noch den Preis des günstigsten Präparats vergüten. Der Preisüberwacher schätzt das Sparpotenzial auf jährlich knapp 400 Millionen Franken. Bei so viel Geld ist Widerstand garantiert. Zur Allianz gegen Referenzpreise gehören unter anderem Pharma- und Chemieindustrie, Ärzteschaft, Apotheker und die Stiftung Patientenschutz.
Das erste Massnahmenpaket soll auch den so genannten Experimentierartikel enthalten. Es handelt sich um eine rechtliche Grundlage für die Durchführung von innovativen Pilotprojekten. Damit sollen Massnahmen zur Eindämmung des Kostenwachstums geprüft werden können. Kantone und Versicherer könnten zum Beispiel Versuche mit der Vertragsfreiheit, Zulassungsbeschränkungen oder Pauschalabgeltungen machen, wie es im Expertenbericht heisst.
Mehr Kontrolle
Ein von den Tarifpartnern eingesetztes nationales Tarifbüro soll die Tarifstruktur Tarmed laufend anpassen. Diese sollen auch verpflichtet werden, dem Bund ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Erst damit hätten die Behörden tatsächlich die Möglichkeit, gegen ungerechtfertigte Mengenausweitungen vorzugehen.
Einige der Massnahmen, die der Bundesrat weiter verfolgen will, sind bereits in Umsetzung oder zumindest angestossen. Im Februar hat ein erster ärztlicher Fachbereich mit den Krankenkassen Pauschalen für gewisse Eingriffe vereinbart. Anfang März hat sich der Nationalrat dafür ausgesprochen, dass die Patienten zur Kontrolle lesbare Rechnungskopien erhalten sollen. Auch die Krankenkassen sollen die Rechnungen in Zukunft systematisch prüfen.
Weitere Massnahmen sind die Steuerung der Kosten durch die Tarifpartner oder die Einführung eines Beschwerderechts der Versicherer gegen kantonale Spitallisten. Es handelt sich um Vorschläge des Innendepartements, die nicht im Expertenbericht enthalten sind. Dieser enthält rund 30 weitere Massnahmen, die der Bundesrat frühestens 2019 weiterverfolgen will. (awp/mc/pg)