Bundesrat will Wasserkraft und grosse Kraftwerke als Stromreserve
Bern – Mit einer Wasserkraftreserve will der Bundesrat allfällige Ausfälle in der Stromversorgung verhindern. Ergänzend dazu, sozusagen als zweite Rückfallebene, will er auf klimaneutral betriebene Gaskraftwerke setzen. Betrieben werden sollen sie aber nur ausnahmsweise in Notlagen.
«Es geht um Vorkehrungen für unvorhersehbare Stresssituationen», sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga am Donnerstag in Bern vor den Medien zum Bundesratsentscheid. Die Landesregierung wolle zwei Versicherungen schaffen. «Ziel ist, dass man sie möglichst nicht braucht.» Und: Der Bundesrat wolle rasch vorwärtsmachen.
Die Wasserkraftreserve soll ab dem kommenden Winter zur Verfügung stehen. Die Betreiber von Speicherkraftwerken sollen eine gewisse Menge Wasser zurückhalten für den Fall, dass ein Mangel droht. Dafür erhalten sie ein Entgelt. Gerechnet wird laut Bundesamt für Energie (BFE) mit 15 bis 30 Millionen Franken pro Jahr.
Die Grundlagen für die Wasserkraftreserve will der Bundesrat auf dem Verordnungsweg erlassen. Ins Gesetz übernommen werden sollen sie im Zug der Revision des Stromversorgungsgesetzes.
Kraftwerke als zweite Rückfallebene
Als zweite Rückfallebene – nach der Wasserkraftreserve – will der Bundesrat auf klimaneutral betriebene Gaskraftwerke setzen. Er beauftragte das Umweltdepartement Uvek, umgehend Vorbereitungen für den Bau und Betrieb solcher Anlagen an die Hand zu nehmen.
Einerseits soll das Uvek eine allfällige Ausschreibung für Kraftwerke vorbereiten. Dazu gehören das Festlegen der Dimensionierung und Details zur Wahl von Technologie und Standort.
Im Fokus befinden sich nicht mehr genutzte Infrastrukturen. Geprüft werden soll zudem, ob die kantonalen Gesetzgebungen und die Zonenplanung der betroffenen Gemeinde eine Bewilligung überhaupt ermöglichen.
Nur für Ausnahmelagen
Zuhanden des Parlaments wird das Uvek gleichzeitig Gesetzesbestimmungen erarbeiten, über die das Parlament bei der laufenden Revision des Stromversorgungsgesetzes befinden kann. Vorgaben – etwa zum verwendeten Brennstoff oder zur Kompensation – sollen gewährleisten, dass die Kraftwerke klimaneutral sind.
Wie die zwei Rückfallebenen bei Versorgungsengpässen koordiniert werden, ist Sache des Uvek. Beide Reserven sollen nur ausnahmsweise genutzt werden – nämlich dann, wenn der Markt die Nachfrage nicht decken kann. Zu Fehlanreizen im Markt dürfe die Reserve nicht führen, sagte Werner Luginbühl, Präsident der Elektrizitätskommission (Elcom).
Der Stromkonzern Axpo begrüsste es, dass Notfall-Gaskraftwerke ausserhalb des Marktes bleiben. Dadurch würden Marktverzerrungen vermieden. Als langfristige Option denkbar sind für Elcom und Axpo mit CO2-freien Brennstoffen betriebene Gaskraftwerke.
Die Reserve-Pläne des Bundesrats ernteten bereits Kritik: Für die sichere Versorgung im Winter genüge eine Strategie aus Stromsparen, Fotovoltaik, Speicherreserven und intelligenter Nachfragesteuerung, schrieb etwa der WWF. Das sei erst noch billiger.
Die Kosten für die Reserve werden die Endkonsumenten tragen müssen. Die Rede ist von Zuschlägen von je 0,1 Rappen pro Kilowattstunde (KWh) Strom für die Wasserkraftreserve und die Kraftwerke. Ein Schweizer Durchschnittshaushalt bezahlt derzeit 21,2 Rappen pro KWh.
Bei den Kosten hakt der Gewerbeverband ein: Die Subventionierung der Reservehaltung von Wasserkraft berge die Gefahr, dass Stromunternehmen mit dem Geld «administrative Wasserköpfe» quersubventionierten. Der Verband würde lieber auf Private setzen.
Elcom geht von Gaskraftwerken aus
Der Bundesrat fällte seine Entscheide gestützt auf einen Bericht der Elcom. Darin ist die Rede vom Bau von zwei bis drei Kraftwerken mit insgesamt bis tausend Megawatt Leistung. Als zweckmässige Lösung hätten sich Gasturbinenkraftwerke herausgestellt, sagte Luginbühl.
Die Investitionskosten sollen gemäss dem Bericht maximal 700 bis 900 Millionen Franken betragen. Hinzu kommen Betriebskosten von 6 Millionen Franken im Jahr und Produktionskosten von 138’000 bis 243’000 Franken pro produzierte Gigawattstunde (GWh) Strom.
Hintergrund der Reserveplanung ist, dass wegen des fehlenden Stromabkommens mit der EU ab 2025 die Risiken für den Stromimport steigen. Im schlimmsten Fall – zum Beispiel, wenn grosse Kraftwerke im In- und im Ausland gleichzeitig ausfallen – könnte es im Winter «während einiger Stunden» zu Versorgungsengpässen kommen.
Bundesrat setzt aufs Stromsparen
Der Bundesrat setzt ausserdem auf das Potenzial des Stromsparens, um die Stromversorgung sicherzustellen. Unter anderem will er mit mehr Fördermitteln dafür sorgen, dass Elektroheizungen ersetzt werden.
Weiter sollen die Mindestanforderungen in Sachen Energieeffizienz von elektrischen Geräten erhöht werden, also etwa für Warmwasserboiler oder Wäschetrockner. «Stromfresser sollen nicht mehr auf den Markt kommen», sagte Sommaruga. (awp/mc/ps)